15. Jahrgang | Nummer 1 | 9. Januar 2012

Serviervorschlag für Christian Wulff

Während die hechelnde Medienmeute nahezu im Stundentakt neue Unterstellungen gegen Christian Wulff veröffentlicht, ist im Bundespräsidialamt eine Rücktrittsrede vorbereitet worden, die dem Blättchen exklusiv vorliegt. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll der Entwurf aus der Feder des langjährigen medialen Mitstreiters und vormaligen Pressesprechers des Bundespräsidenten, Olaf Glaeseker, stammen und bereits Anfang Dezember abgefasst worden sein. Nach ebenfalls unbestätigten Gerüchten soll der Entwurf wegen des vorauseilenden Zeitpunkts (noch nicht einmal der „endgültige Bruch“ mit BILD war da schon vollzogen!) auch den Anlass zur überraschenden vorweihnachtlichen Entlassung Glaesekers gegeben haben. Wir dokumentieren den Wortlaut im Wortlaut:

„Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde und um meine Entlassung gebeten. Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens. Und ich gehe nicht alleine wegen meines so fehlerhaften Hauskredits, wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Häuslebauer ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann.
Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt. Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt – mit Blick auf die größte Bundespräsidentenparty in Bellevue, die ich angestoßen habe, und mit Blick auf eine beispielhaft kostengünstige Urlaubsverortung, die mir engstens ans Herz gewachsen sind. Wenn allerdings, wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Wulff und seinen Hausbaukredit statt beispielsweise auf das Diamantene Thronjubiläum der Queen abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten statt.
Und deswegen ziehe ich, da das Amt, die Republik die Wissenschaft und die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen, die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte.
Ich habe wie jeder andere auch zu meinen Schwächen und Fehlern zu stehen. Zu großen und kleinen im politischen Handeln, bis hin zum Unterschreiben meines Kreditvertrages. Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. Deswegen habe ich mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse verletzt habe. Und ich wiederhole dies auch ausdrücklich heute. Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete. Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender, aber allzu menschlicher Grund.
Wohl niemand wird leicht, geschweige denn leichtfertig, das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt. Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen und deren Leben beinhaltet. Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser Tragweite jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz die gebotene Zeit zu nehmen hatte. Zumal Vorgänge in Rede stehen, die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen.
Angesicht massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meines Hausbaukredits zu beteiligen: Zum einen gegenüber der Familie Geerkens und der BW-Bank. Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor all jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen. Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität, sollte dies noch erforderlich sein, zeitnah geführt werden können.
Die enorme Wucht der medialen Betrachtung meiner Person, zu der ich selbst viel beigetragen habe, aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie. Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen Geschäft zerstörerisch sein können. Wer sich für die Politik entscheidet, darf, wenn dem so ist, kein Mitleid erwarten. Das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen. Ich darf auch nicht den Respekt erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig entgegen genommen werden.
Nun wird es vielleicht heißen, der Wulff ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln. Ich danke von ganzem Herzen der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung und den vielen Mitgliedern der Union, die mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundespräsident nicht zurückzutreten.
Und ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin für alle erfahrene Unterstützung und ihr großes Vertrauen und Verständnis. Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Maß an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden. Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag. Ich war immer bereit, zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht. Vielen Dank.“

P.S. Auf das Erheben von Plagiatsvorwürfen bezüglich dieser Rede hat Karl Theodor von Guttenberg bereits im Vorfeld solidarisch verzichtet.