13. Jahrgang | Nummer 11 | 7. Juni 2010

Sex and Drugs and Rock and Roll

von Werner Jurga

Sex and drugs and rock and roll
Is all my brain and body need
Sex and drugs and rock and roll
Are very good indeed

Einige Ältere werden sich möglicherweise noch erinnern – an Ian Dury und seine Holzköpfe. Ian Dury & The Blockheads: Sex and Drugs and Rock ‘N’ Roll. Das war 1977. Da war die Welt noch in Ordnung. Weitgehend auf jeden Fall … obwohl … es ging schon ein bißchen los.
Aber immerhin: damals durfte man noch, damals konnte man noch – also, so ganz unbekümmert, unbeschwert. Es war einfach geil, ein Mann zu sein. Seither wird der Mann in seiner ganz natürlichen Art eigentlich nur noch diskriminiert und unterdrückt. Es regt sich zwar erster Widerstand; doch nicht jeder hart arbeitende Mann hat die Kraft, sich neben seinem segensreichen Wirken für die Menschheit auch noch für die Befreiung seines Geschlechts einzusetzen. Verständlich.
Ja, es ist geil, ein Mann zu sein. Aber, aber … aber inzwischen ist es so weit gekommen, daß wir nicht mehr so einfach die fetzige Melodie von „Sex and Drugs and Rock ‘N’ Roll“ vor uns hin summen können. Stattdessen lautet der Text jetzt „Thailand, Tauss und Kachelmann“. Schwacher Trost: Melodie und Rhythmus können gleich bleiben. Singen Sie das mal! „Thailand, Tauss und Kachelmann“, groovt eigentlich auch ganz gut. Nur halt nicht ganz so locker. Nicht so cool, fast schon ein wenig uncool.
Was ist passiert? Männer, die die Wahrheit sagen, werden gnadenlos der Öffentlichkeit zum Fraß vorgeworfen. Kürzlich hatte es diesen großen Bruder erwischt. Ganz richtig hatte er darauf aufmerksam gemacht, daß seit dieser Zeit der, wie es euphemistisch hieß, „sexuellen Revolution“ beziehungsweise der „Befreiung der Frau“ der ein oder andere Mann … tja, wie hat er es gesagt?
Auf jeden Fall kann das ja nicht gut gehen, wenn so ein Mann nicht kann, wie er will, und nicht darf, was er muß. Logisch. Doch anstatt diesen bemitleidenswerten Kreaturen jetzt zu helfen, so gut es geht, werden sie einem Kesseltreiben ohnegleichen ausgesetzt. Alle an den Pranger! Nichts mehr mit Sex and Drugs and Rock ‘N’ Roll; Sex and Crime ist angesagt.
Gestern Abend in der Tagesschau. Ein älterer Herr berichtet gar, daß auf ihn geschossen worden sei. Er saß in einem Café oder in einer Bar oder so, und eine Kugel durchschlug von außen das Fenster. Unmittelbar neben seinem Kopf. Andere Herren hielten sich in der Nähe von explodierenden Autos auf. Lebensgefährlich alles.
Ja, ich weiß; niemand hat diesen Männern, die am Flughafen von dieser Hölle berichteten, direkt und absichtlich nach dem Leben getrachtet. Das ist schon klar: die Unruhen in Thailand richteten sich nicht gegen diese armen deutschen Landsleute. Warum auch?
Es handelte sich um rein innere Angelegenheiten. Da waren Leute, die illegal demonstriert hatten, sogar Teile der Innenstadt besetzt hatten, da mußte das Militär mal durchgreifen. Normal.
Sie wissen: Thailand ist ein demokratisches Land – mit Wahlrecht und allem drum und dran. Dummerweise haben die armen Leute – noch etwas unreif – die Angewohnheit, ihre eigenen Politiker und nicht die der reichen Leute zu wählen. Dann putscht halt das Militär, an und für sich eine ganz friedliche Palastrevolte, wenn da nicht so ein paar Aufwiegler mit roten Hemden wären …
Den Rest kennen Sie ja. Die ganzen Mitläufer. Keine Ruhe gegeben. Bis das Militär ein paar Leute totgeschossen hat. Einige ganz unbelehrbare Rote machen dann noch so als letztes Aufbäumen ganz kriminelle Sachen. Die Stadt brennt. Ja Himmel, so etwas ist doch wirklich unglaublich gefährlich!
Die Frage ist doch: warum müssen sich ganz unauffällige Herren in ein Land begeben, in dem – wenn auch plötzlich und unerwartet – ihr Leben in Gefahr gerät? Hat es nicht auch damit zu tun, daß die Menschen dort durchweg eine ganz andere Mentalität haben? Viel freundlicher sind? Auch und gerade Frauen und Kinder? Daß also die Leistungsträger unserer Gesellschaft einfach mal für eine Weile den männerfeindlichen Strukturen daheim entfliehen wollen. Sich einfach einmal nicht dafür schämen wollen, ein Mann zu sein, und sich stattdessen einmal so richtig umwerben lassen. Und dann sowas!
Sehen Sie doch nur einmal vorurteilsfrei auf die repressive Atmosphäre in diesem unserem Lande! Kriminalisierungen, Vorverurteilungen – alles unter der Überschrift „Sex and Crime“. Gegenwärtig scheint man es auf Männer mit dem Vornamen Jörg abgesehen zu haben. Gegen Tauss wurde der Strafprozeß eröffnet, gegen Kachelmann Anklage erhoben.
Ich muß daran erinnern: in einem Rechtsstaat gilt – bis zum Beweis des Gegenteils – die Unschuldsvermutung. Ein Angeklagter hat als unschuldig zu gelten, bis ein Gericht – nach bewiesener Täterschaft – ihn für schuldig befunden hat. Und weil das so ist, vermute ich, daß sowohl Tauss als auch Kachelmann unschuldig sind. Ich darf gar nicht anders. Und auch Sie: Sie dürfen auch nicht anders. Okay, daheim am Küchentisch oder draußen an Ihrem Stammtisch dürfen Sie vermuten, was Sie vermuten wollen. Wenn der Stammtisch aber etwas größer wird, oder wenn Sie ihre – na ja – Phantasien gar öffentlich verbreiten wollen, haben Sie von der Unschuldsvermutung auszugehen.
Das ist, vereinfacht ausgedrückt, der Unterschied zwischen der Staatsanwaltschaft und Ihnen. Die Staatsanwaltschaft muß ja gewissermaßen von einer Straftat ausgehen, sonst könnte sie selbige ja nicht verfolgen. Und Sie – wie gesagt …
Und ich werde einen Teufel tun und etwas zu laufenden Verfahren schreiben. Außer natürlich, daß ich in beiden Fällen von der Unschuld der Herren ausgehe.
Jörg Tauss sagt, er habe auf eigene Faust nach kinderpornographischem Material recherchiert. Ich halte dies für absolut glaubhaft. Und was Kachelmanns DNA-Spuren an diesem Messer betrifft: vermutlich stand seiner Freundin tatsächlich der Sinn nicht so nach Sex. Wie es dann weitergegangen sein könnte, wissen wir von Udo Lindenberg:

Ich armer Mann in meiner Not
schmier mir erstmal ein Käsebrot.

Alles andere wäre Käse, vor allem für Kachelmann.