13. Jahrgang | Nummer 4 | 1. März 2010

Vielerlei Beauftragte

von Angelika Leitzke

Die Aufträge häufen sich. Nicht nur bei der Berliner Straßenreinigung, die dort schaufeln, kehren und streuen müßte, wo andere bei Glatteis oder einsetzendem Tauwetter hinzufallen gedenken. Seitdem Rechtsanwältin Ursula Raue, Exgattin des Berliner Kunstanwaltes Peter Raue, vor drei Jahren zur Beauftragten für Mißbrauchsfälle des Jesuitenordens ernannt wurde, hat sie nicht nur mit Sexualdelikten zu kämpfen, sondern muß sich auch fragen, ob sie nicht selbst Opfer eines ordensinternen Amtsmißbrauchs wurde. Oder ob das Amt eines Beauftragten, ob nun zuständig für die Fusion der PDS mit der WASG, für Informationsfreiheit oder Schuhputzmittel für Hartz-IV-Empfänger, nicht überstrapaziert ist.

Der Berliner Senat hat den Beauftragten für Kirchen, Religions- und Weltanschaungsfragen ausgerufen, Stefan Dybowksi ist Beauftragter für Fälle sexuellen Mißbrauchs beim Erzbistum Berlin, das auch über eine Kunstbeauftragte verfügt, der CDU-Mann Günter Nooke darf sich seit 2006 Beauftragter für Menschenrechtspolitik und humaniäre Hilfe der Bundesregierung nennen. Seit längerer Zeit gibt es auch das sicherlich löbliche Amt des UNO-Sonderbeauftragten für Wissenschaft und Menschenrechte, während Sigmar Gabriel den Posten eines SPD-Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs für zwei Jahre bekleidete, ehe er sich wieder ernsthafteren Dingen widmete. Demokratie läßt anscheinend nicht nur Meinungsvielfalt, sondern auch Amtsvielfalt zu, dies in Zeiten der Spaßkultur. Einige Beauftragten werden mit der Zeit eines natürlichen Todes sterben – so der Regierungsbeauftragte für die Verhandlungen über die Art und Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter – wenn diese Zwangsarbeiter nämlich selbst ausgestorben sind. Dafür wird es das seit 1981 existierende Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen – übrigens eine ehrenamtliche Tätigkeit– wohl so lange geben, bis uns die GEN-Technik den perfekten Ersatzmenschen parat stellt, vorausgesetzt, Deutschland hält an seiner Demokratie und Bürokratie fest. Daß die zu Beauftragten Auserwählten sich als Missionare mit Sendungsbewußtsein verstehen, wollen wir ihnen trotz unseres gesellschaftspolitischen Idealismus nicht zumuten.

Dabei scheint das Amt des Beauftragten älter zu sein, als man denkt: Sieht man von Brutus’ Komplizen bei der Ermordung Cäsars und den statistisch nicht erfaßten Spionen des päpstlichen Geheimdienst zur Zeit der Medici ab, so erhielt der preußische Reformer Freiherr vom und zum Stein 1796 von König Friedrich Wilhelm I. die Aufgabe, in den westlichen preußischen Territorien die Wirtschaft zu fördern. Damit war er quasi einer der ersten Wirtschaftsbeauftragten, deren Zahl heute mindestens ebenso groß sein dürfte wie die der Stasi-Beauftragten, wobei man beim „EU-Euro-Beauftragten“ zu Recht fragen darf, wieviel Geld der Mann für sein Amt kassiert. Günter Pienig, der sich, 2003 zum Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration auserkoren, um die Ausländer und Aussiedler der Spree-Metropole kümmert, ist um seine Arbeit vielleicht wenig zu beneiden, es sei denn, er bringt seiner Klientel jene Zuneigung entgegen, die das niederländische „opdragt“, von dem laut Gebrüder Grimm unter deutscher „Auftrag“ abstammt, zumindest etymologisch verspricht. Allzubunt wird es schließlich, wenn es innerhalb der bundesdeutschen Bürokratie auch noch die Beauftragten des Beauftragten gibt, wie aus der etwas verwirrenden Website des Bundesamtes für Zivildienst, seit 1994 zum Bundesfamilienministerium gehörig, zu ersehen ist: Nimmt man die derzeitige Präsidentin Helga Roesgen als Regierungsbeauftragte für Zivis, so unterstehen ihr jeweils ein Datenschutz-, Geheimschutz- und Gleichstellungsbeauftragter, ob männlichen oder weiblichen Geschlechtes sei hier unerheblich.

Bedenklich war dagegen sehr früher in Deutschland einmal das Amt des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP gewesen, sprich Alfred Rosenberg. Das ist wahrlich lange, lange her, aber als Lehre – sozusagen – gilt heute: dann lieber noch ein Sigmar Gabriel als Pop-Beauftragter.