Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 3. August 2009, Heft 16

Lust im Kurzurlaub

von Ines Fritz

Wenn man Single ist, kommt man viel unter Menschen. Leider. In seltenen Phasen besonders akuter emotionaler Bedürfnisse (oder schlichtem administrativen Notstand) sind selbst unpolitische und private Gespräche in intimen Situationen mit wildfremden Männern unvermeidbar. So etwas nennt man dann Flirten. Flirten ist unlustig, weil man nie weiß, was als nächstes kommt: Haut der Auserwählte gleich mit der Faust auf den Tisch oder dir nur irgendeine Frechheit um die Ohren, die dich zwingen wird, deine FlipFlops nach Schlaufen absuchen, um ihm wenigstens dein Augenrollen zu ersparen und ihn nicht derart zu verwirren, die nun folgende Schamesröte für eine Anmache zu halten.
Darum trage ich neuerdings zu Blind Dates Schnürstiefel. Zum Glück ist bald Herbst. Neulich also saß so ein Prachtkerl vor mir und dozierte über Sexualität. Das ist nichts neues, das machen sie alle. Mittlerweile sind selbst die Unattraktiven total schamlos. Nur vergessen die meisten nackt leider oft, was vorher so verdammt wichtig war: die teilnehmende Frau. Noch war er aber beim angenehmen Teil des angedachten Paarungsvergnügens: Balzen. Nun dem. Er versuchte, mich zu beeindrucken, und ich wartete auf den Moment, in dem seine wuchtige, am Rücken behaarte Hand in seinen Schritt wandert, seinen garantiert frisch rasierten besten Freund derb anpackt und ihn schaukelt wie Zeus einst Herkules und dazu wird er sagen »Sowas haste noch nich jesehen, da kriechste Angst.«
Ja. Durchaus. Aber vor allem vor dem merkwürdigen Rest.
Aber dieses Mal blieben die Hände fest am Bier, und er stockte, hob an, und es platze aus ihm wie der Inhalt einer überhitzten groben Bratwurst: »Ich habe eine Gummiallergie.« Bei ihm klang es, als hätte er Krebs. Für mich klang es schlimmer: Ein notgeiler Kerl, der nicht mal verhüten wird. Ich wußte vorher, daß aus uns nichts werden wird, aber nun auch noch warum.
Männliche Verhütungsverweigerer sind einfach nur anstrengend. Und dieses Exemplar war es nun ganz besonders. Ich finde schon Frauen, die sich vor Verantwortung drücken und von anderen weitgehend schamfrei die Übernahme selbiger erwarten, überaus peinlich – aber Männer bei versuchter Verhütungsflucht zu erwischen, ist wenig erregend.
Und ich meine damit nicht einen Typen, der nur um Haaresbreite der ungewollten Vaterschaft entgeht, sondern solche, die sich als stolze und grundsätzlich »richtige« Männer – oder noch besser: Helden – über die Normen sozialen und sexuellen Miteinanders hinwegsetzen und dabei noch ihre Persönlichkeitsrechte bedroht sehen, weil man von ihnen heute schon verlangen kann, wofür ihrer Meinung nach Frauen immer noch zuständig sind: Verhüten.
Ich finde Männer, die Sex, aber selbst nicht verhüten wollen, unmöglich: Was bilden die sich eigentlich ein? Und mit welcher Fahrlässigkeit denen »die Pille« über die Lippen geht, ist schon erstaunlich. Allerdings diese eben auch nur als Forderung an die Frau. Dabei scheint völlig gleichgültig, was die Pille für die Libido der Frau wie auch für deren Gesundheit heißt: Hauptsache, er hat einfachen und aufwandslosen Sex (oft muß es ja auch recht schnell gehen), und sie erfüllt zeitnah seine Forderung: Sei willig und ganz Frau, aber werde bloß keine Mutter! Manchmal klappt das, bei mir nie. Tja, er hat ’ne Allergie, und ich auch: Ich vertrage keine Verhütungsallergiker, da macht meine Lust Kurzurlaub.