Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 2. Februar 2009 , Heft 3

Absage an eine Demonstration

von Max Hagebök

Lieber Freund, unser heutiges Telefonat hat mich sehr irritiert. Sieh es mir nach, daß ich in den letzten Jahren meines Nachdenkens immer mehr von Freund-Feind-Schema abgekommen bin.

Ich bin leider nicht in der Lage, im Konflikt zwischen Israel und der Hamas zwischen gut und böse zu entscheiden. Es stimmt: Der Umfang der Gewalt unterscheidet sie, da Israel mehr und schlimmere Waffen hat. Aber beide Seiten nehmen Menschen als Geiseln, das politische Muster ist bei beiden gleich: Es geht um Macht. Und es ist verdammt mühselig, den Anlaß von den Folgen zu trennen. Ich bin nicht bereit, mich für eine scheinbar einfache Erklärung zu begeistern. Mein Erfahrungshorizont reicht nicht für die Wut und den Zorn der einen oder anderen Seite. Deshalb tue ich mich schwer, den einen zu verurteilen und den anderen zu unterstützen.

Sollte es um eine Demonstration für einen Frieden für die Menschen im Gaza handeln, dann bin ich dabei. Handelt es sich um eine Demonstration zur Verurteilung Israels und für die Glorifizierung der Hamas, dann bin ich nicht dabei. Wenn ich für Frieden marschiere, dann für einen Frieden, den beide Seiten möglich machen. Es kotzt mich an, wenn der Verstand der Ideologie geopfert werden soll. Selbstmordattentäter sind keine Helden. Es sind Mörder.

Deine Reaktion war klar. Tut mir leid, wenn ich Dich enttäusche. Aber was ist gerecht in diesem Konflikt? Und nicht nur in diesem. Die handelnden Personen haben häufig nur die eigenen Interessen als Leitmotiv. Deshalb will und werde ich mich nicht mehr funktionalisieren lassen. Denn es gibt keinen höheren Sinn als das Leben.

Doch die Mächtigen wollen immer den Menschen einreden, daß es einen höheren Zweck gebe. So verkommt der Humanismus zum Selbstnutz. Und wenn ich den Konflikt zwischen der Fatah und der Hamas richtig sehe, dann sind die Feinde Israels untereinander Feind.

Also für welches politische Konzept der Hamas soll ich marschieren? Für welchen Frieden? Raketen sind Waffen, und wer sie einsetzt, führt Krieg. Die Zahl der Opfer ist kein Maß für gerecht oder ungerecht. Jeder Tote ist Mord.

Vielleicht erreiche ich bei Dir ein bißchen Verständnis. Unabhängig bleibt mir ein ungutes Gefühl zwischen uns. Ich habe zu viel Rechthaberei begangen, um nicht zu wissen, wann sie etwas zerstört. Bis dann, Max