Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 5. Januar 2009, Heft 1

Does He Can?

von Kai Larsen

Barack »Yes we can« Obama wird scheitern, nein, er muß scheitern. Ich merke, das wird schwierig, denn, was ich meine ist: Er hat keine Chance, sollte er all das vollbringen wollen, was alle jetzt von ihm erwarten. Nein, er kann nicht die Hoffnungen aller erfüllen, denn das ist eo ipso unmöglich.

Und doch ist es genau das, was wir von den Lichtgestalten unserer Tagträume – immer wieder: Gorbatschow, vielleicht auch Clinton – erwarten, nicht ein Gran weniger. Denn Hoffnung, und darum handelt es sich hier, umfaßt immer so unendlich viel mehr als ein Mensch, selbst wenn er als der mächtigste Mann (in diesem Fall) der Welt gilt, bewirken kann. Auch der Präsident der USA ist ja nicht allmächtig. Das sollten selbst diejenigen zugeben, die ihn voller Hoffnung gewählt haben.

Omnipotent aber müßte er wohl sein, wäre er wirklich derjenige, von dem sich viele so viel erhoffen, und sollte er alle die Hoffnungen auch erfüllen können. Ich vermute: Ist Mr. Obama wirklich so smart und cool, wie es durchaus glaubhaft von etlichen Beobachtern und Kommentatoren gesehen wurde, dann glaubt er selbst nicht daran. Was der Job im Weißen Haus aus ihm machen wird, wir werden es in den nächsten Jahren erleben.

Soviel zum gegenwärtigen »Glauben an den Messias«. Aber Tatsache ist eben doch: Wir brauchen Hoffnung, denn optimistische Zukunftsvorstellungen sind uns notwendig wie die Luft zum Atmen. An Sinn, sinnvolle Kontinuität, Optimismus implizite, zu glauben, das macht uns aus: das reflektierende, antizipierende Tier. Viktor Frankl, Überlebender von NS-Vernichtungslagern, hat auf dieser Erkenntnis eine Psychotherapie aufgebaut: der Mensch als Sinntier – die Logotherapie.

Gut funktioniert sie bei Gläubigen – der Sinn liegt für sie außerhalb, bei einem »höheren Wesen, welches sie verehren«. Damit wird klar: Irrationalität läßt die Frage nach dem Sinn des Lebens leichter ertragen, sie produziert Antworten. Im Fall der traditionell Religiösen ist das eine beinahe leicht zu nennende Übung. So vieles ist ihnen vorgeschrieben, Inhalte des als gegeben Anzunehmenden, des zu Glaubenden, zu Hoffenden sind postuliert, aktualisierende Exegese und komplettierende Interpretation eingeschlossen. Allen anderen bleibt die Wahl, das heißt auch die Qual.

Nun hat ein mehrheitlicher Teil des US-amerikanischen Wahlvolkes für die Änderung, »The wind of change«, gestimmt. Wir hier – damit gehe ich von einem latenten Anti-Bushismus aus, nicht von Antiamerikanismus wohlgemerkt, und von unübersehbarer Obamania – geben dem unser Plazet, haben das sichtlich erhofft, begrüßen es, euphorisch oder verklemmt – und nun?

Hoffen meint, der stets offenen Zukunft als Herausforderung aktiv zu begegnen – dabei ist das ganz und gar Irrationale im Spiel, dem wir ständig ausgesetzt sind, um das wir wohl wissen können, es uns aber selten bewußt machen. »The future ist not ours to see« heißt es im Lied und beim Philosophen, Leben könne nur rückwärts verstanden, müsse jedoch vorwärts gelebt werden. Doch sich dieser unsagbar großen Herausforderung zu stellen, bedarf es der Zuversicht als einer allgemein mentalen Verfaßtheit, fußend auf entsprechender psychischer Gegebenheit.

Beides hängt nur sehr beschränkt von unserem Willen ab, wir können es bis zu einem gewissen Grade hervorbringen und stärken, letztlich entzieht es sich unserem Wollen. Wir sind eben bio-psycho-soziale Wesen, grundlegend ist nicht das Psychische oder Soziale, sondern unsere Biologie, die genetische Prädisposition, wenngleich es wohl Rückwirkungen auch gibt.

Doch unsere Psyche bedarf des Glaubens an sich selbst – der sogenannte freie Wille, dessen Wirklichkeit jüngst immer wieder bezweifelt und selbst von Wissenschaftlern, die, wie ich vermute, es besser wissen, verteidigt wurde, ist ein simples Beispiel für diese notwenige Selbstbehauptung und -bestätigung. Das habituell Soziale, also die präsentierte psychische Verfassung, unser mental erzeugtes »Outfit« – zudem kulturellen Zwängen, ja Moden unterworfen – macht uns zu den demonstrativen Optimisten (oder auch Pessimisten, doch von denen will ich hier nicht sprechen), als die wir erscheinen müssen, uns und »den Anderen«.

Hoffnung ist das uns Gemeinsame, sie ist irrational, quasi eine kollektive Glaubensvorstellung und stets (bei all den Ausnahmen) gegenseitig, konsensual bestärkt, entgegen jeder konkreten Widrigkeit. Denn das ist unser Lebenselixier, ob wir’s nun wollen oder nicht, sehen oder nicht, glauben oder nicht – wir sind das reflektierende und antizipierende Tier, bestimmt, zu hoffen über jeden Horizont hinaus.

Der neue Präsident in Washington ist dafür nur eine konkrete Projektion.