Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 9. Juni 2008, Heft 12

Kinder machen Leute

von Ines Fritz

Immer wieder denkt jemand über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach. Neulich auch DIE LINKE. Auf ihrem Parteitag und wegen Christa Müller. Ich finde das lustig. Vielleicht denkt auch mal jemand über die Vereinbarkeit von Armen und Beinen nach. Statt einer Fortpflanzungsfrage gibt es dann eine Fortbewegungsfrage. Das wäre neu. Die Vereinigung Mund- und Fußmalender Künstler wäre sicher hocherfreut. Und erst der Contergan-Verband. Auch der Herr Schäuble.
Begleitend zur Debatte läuft dann eine flotte Kampagne aus dem Gesundheitsministerium: Flippern oder Flip-Flops? Wohin mit den Händen, wenn die Zehen in der Nase popeln? Und alle paar Jahre gibt es einen Arm-und-beinlos-Bericht, in dem die integrativen Fortschritte zu den aktuellen Notlagen unter den jeweiligen politischen Zielsetzungen erklärt werden. Ich bin voller Hoffnung: Irgendwann werde ich mich auch zu dieser Frage entscheiden dürfen und nicht nur zwischen Regen und Traufe, CDU und SPD, sondern auch zwischen Heißwachs und Nagellack. Rosige Aussichten. Da fühlt man sich als Mensch so richtig ernstgenommen.
Die Fortpflanzung ist ja ohnehin schon eine sehr intime Angelegenheit. Geht eine öffentliche Debatte darum nicht zu weit? Soziale Verantwortung im Turbokapitalismus? Das muß ein Scherz sein. Oder zumindest eine Frage. Das Kinderkriegen ist eine Frauenfrage, aus biologischen Gründen. Antwort darauf geben Männer, aus historischen Gründen. Manche halten sie auch wirklich für eine Frage, die Fortpflanzung – aber meist nicht den Sex –, und einige sagen Nein zur Fortpflanzung – allerdings doch meist Ja zum Sex. Nur unfruchtbar soll er bitte sein, der Sex oder viel mehr: die Frauen. Wir haben die Nase voll vom Gebärleistungsdruck. Vor allem die Männer. Die Erklärungen zur Fortpflanzungsverweigerung sind dabei unterhaltsam und kreativ und brutal blöd. Jeder Fallmanager dürfte derartigen Mumpitz dem Arbeitslosen um die Ohren hauen, würde so Arbeitsverweigerung betrieben. Aber für die eigene Unfruchtbarkeit sind der Klimawandel, der Kapitalismus und der Arbeitsmarkt erklärte Legitimation.
Wer so etwas sagt, wirft auch kleine Kinder ins kalte Wasser.
Sich unfruchtbar halten zu können, heißt dabei nicht, es auch zu müssen. Ich sehe gebärfähige Frauen, die ihre Männer fragen, ob sie von ihnen schwanger werden dürfen, neben zeugungsfähigen Männern, die sich so beharrlich weigern, erwachsen zu werden, wie ich mich, auf Zuruf zu verblöden. Dann grinse ich: Patriarchat, ick sehe dir zucken. Frauen verhüten ihren biologischen Vorteil, und Männer sind fein raus: Von dem bißchen wirst du schwanger? Das habe ich nicht gewollt. Das muß nicht sein. Oder doch?
Ja, das muß es. Und seien wir doch mal ehrlich, Familie oder Beruf – das fragt sich doch keine Frau. Eine Frau fragt sich nur: Schwanger werden? Ja, wann und von wem? Wirklich dauerhaft unschwanger sind katholische Klosterschwestern und Bundeskanzlerinnen. Mitunter wäre mit Enthaltsamkeit natürlich jedes Problem zu lösen, auch das der ewigen Nörgler zur leider bisher wenig präsenten Frage: Arme oder Beine?
Nein, danke! Wir kriechen auf dem Zahnfleisch.