Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 31. März 2008, Heft 7

Gelebte Werte

von Stefan Wogawa

Ehrlichkeit in der Politik!« – die Kampagne von BILD, in der deutschen Medienlandschaft bekanntermaßen das Zentralorgan der Glaubwürdigkeitsdebatte schlechthin, zeigt Wirkung. Fast alle Redaktionen ziehen mit und verzichten sogar darauf, Meinungsvielfalt zu simulieren.

Auch Dieter Althaus, der große ostdeutsche Werte-Mann der CDU, hat sich jetzt zu Wort gemeldet. Gerade Althaus darf das. Er zitiere christliche Werte nicht nur, er lebe sie auch, wußte anläßlich seines Besuchs im baden-württembergischen Schriesheim sogar die dortige Weinkönigin Marie Luise zu berichten.

Mit geradezu alttestamentarischer Strenge saß Althaus, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, dieser Tage nun über die ohnehin schon arg gebeutelte SPD zu Gericht. »Bei Wortbruch zählt der Versuch wie die Handlung«, geißelte Althaus in einem Zeitungsinterview unerbittlich Andrea Ypsilanti – nachdem diese ihr politisches Scheitern längst öffentlich eingestanden hatte. Sie habe dem Ansehen der Politik großen Schaden zugefügt, grollte Althaus. Nachzutreten ist bei der Union geradezu Christenpflicht.

Nun ist bei Althaus freilich das Gedächtnis nicht so ausgeprägt wie das Wertebewußtsein. Immerhin kam er einst ausgerechnet wegen eines Wortbruchs zu seinem hohen Amt. Durch einen vollzogenen Wortbruch wohlgemerkt, nicht nur durch einen versuchten.

Sein Wort brach 2003 der direkte Althaus-Vorgänger als Thüringer Ministerpräsident, der ewig lächelnde Bernhard Vogel (CDU). Er hatte im Wahlkampf 1999 landauf, landab betont, er bleibe die ganze Wahlperiode – also bis 2004 – im Amt.. Noch in der konstituierenden Sitzung des Landtags im Oktober 1999 sprach er mehrfach von den »fünf Jahren«, die als Ministerpräsident nun vor ihm lägen. Doch dann erklärte er schon im Juni 2003 seinen Rücktritt – ausschließlich aus parteitaktischen Gründen.

Als Althaus kurz danach in derselben Sitzung von der Landtagsmehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, muß er die Fäuste wohl mächtig in den Hosentaschen geballt haben. Wie unendlich schwer bloß fiel es dem aufrechten Mann, Vogel nicht seine ganze Verachtung ins Gesicht zu schreien? Märtyrerhaft muß Althaus nach vorn geschlichen sein, das Gewissen schwer darüber, wie schmählich er die Früchte eines Wortbruchs erntete. Den großen Schaden für das Ansehen der Politik vor Augen, muß er den Eid gesprochen haben: »So wahr mir Gott helfe.« Althaus litt leise – und wurde Ministerpräsident.