Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 3. September 2007, Heft 18

Eine Rose unter den Broten

von Ove Lieh

Wir gedenken in diesem Jahr der heiligen Elisabeth von Thüringen, deren Lebenslauf in christlicher, karitativer und demographischer Sicht für alle Heutigen ein Vorbild sein soll: 1207 geboren, was man nicht nachmachen muß, mit vierzehn geheiratet, was nicht geht, jedenfalls nicht bei uns, aber wahrscheinlich hatte sie keinen außerfamiliären Sex vor der Ehe, mit fünfzehn das erste Kind, worin ihr insbesondere Hauptschülerinnen massenhaft nacheifern, dann noch zwei Kinder, nett zu den Armen und lang vor Erreichung des Rentenalters verschieden. Toll!
So ist es also kein Zufall, daß in Thüringen und in anderen Teilen Europas der hl. Elisabeth gedacht wird, deren Geburtstag sich in diesem Jahr zum 800. Male jährt. »Sie ist auch heute für viele ein Vorbild, die sich ehrenamtlich (!) zum Wohle des Gemeinwesens engagieren.« (Dieter Althaus, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen) Schade eigentlich, daß Lisa nicht auch für Hauptamtliche ein Vorbild ist, aber wahrscheinlich gibt es unter denen zu wenige, die sich wirklich für das Gemeinwesen engagieren, sie sind zu sehr mit sich beschäftigt.
Doch auch die christliche Forderung der Nächstenliebe stellt letztlich auf die Liebe zu sich selbst ab, denn man soll den Nächsten lieben wie die eigene Person; große Liebe zum Nächsten braucht eben als Basis heftige Eigenliebe. Die haben nun die Herren Hauptamtlichen sicherlich. Aber sie gehen vorläufig nicht mit dem Brotkorb los, um die Bedürftigen zu nähren wie einst Betty, sondern sie hängen ihn für ebendiese höher, auf daß sie sich mehr mühen.
Dabei müßten die hohen Herren heute anders als Lisbeth nicht einmal fürchten, von einem Ehegemahl erwischt zu werden, der ein natürliches Züchtigungsrecht, das der Begründung durch den Koran nicht bedarf, besitzt und ohne Zaudern ausübt. Weshalb auch eine Verwandlung geschmuggelten Brotes in Rosen* nicht nötig und somit dem Verzehr auch nicht hinderlich wäre. Ob seinerzeit die Armen die Rosen fraßen, ist zumindest mir nicht überliefert. Selbst wenn nicht, konnten sie doch ihre ansonsten leeren Tische mit den Blumen schmücken.
Die heutigen Herren bringen, wenn sie überhaupt etwas bringen – statt einfach nur zu nehmen – anstelle des erwarteten Brotes blumige Reden dar, deren Dornen hinter mancherlei Blüten und betörendem Duft, der sich nicht selten als Stallgeruch herausstellt, verborgen sind. Das von ihnen propagierte Vorbild aber gründete Hospitäler, nicht nur am Fuße der Wartburg, während jene, die das Vorbild beschwören, eher Krankenhäuser schließen (lassen) und Blinden die Zuwendung kürzen. Das aber hindert sie nicht daran, sich mit wahrhaft christlicher Unverfrorenheit auf eine Frau zu berufen, die für karitative Zwecke wirklich gelitten hat. Dabei hat sich keiner von diesen je für ein »… Leben in radikaler Umsetzung der christlichen Gebote der Armut (außer vielleicht der geistigen – O. L.), der Demut und der Nächstenliebe« entschieden. Ach, wenn sie wenigstens nur ein bißchen demütiger wären! Da könnte man auf ihre Armut und Liebe verzichten. Mildernd muß man aber gestehen, daß wenigstens mit der BUGA in Gera und Ronneburg versucht wird, für einige Arme sozusagen Rosen in Brot zu verwandeln.
Elli hat übrigens beim Rosenwunder Glück gehabt, daß ihr Beichtvater, Konrad von Marburg, offensichtlich einen guten Tag hatte, denn er pflegte als einer der eifrigsten Hexenverfolger seiner Zeit zauberkundige Frauen eigentlich dem Feuer zu überantworten. Lissi aber beriet er in Vermögens- und Glaubensfragen, und so erreichte er, daß sie, als sie allen irdischen Gütern entsagen wollte, wenigstens ihr Witwenteil behielt – zweitausend Mark, etwas mehr als tausend Euro – und in ein Hospital in Marburg (!) investierte. Lisbeths Mann war nämlich auf einem Kreuzzug dahingerafft worden, und zwar, und nun halten Sie sich fest, an einem 11. September.
Ob Sprengstoffanschlag, Sauferei oder Reitunfall ist unbekannt; aber daß es der Herr persönlich war, der die Dienstreise seines prügelbereiten Sympathisanten nutzte, um ihn dafür zu bestrafen, daß er hatte ein Wunder verplempern müssen, um Brot in Rosen zu verwandeln, statt, was er viel lieber tat, Wasser in Wein, steht außer Zweifel. Interessanterweise wird Konrad von Marburg nachgesagt, daß er für den frühen Tod Elisabeths mitverantwortlich sei, weil er Bußhandlungen voll besonderer Qualen von ihr verlangt hatte.
Noch interessanter ist die Tatsache, daß Elli nach ihrem Tode in den Kreis der heiligen Jungfrauen aufgenommen wurde, denn immerhin hatte sie drei Kindlein das Leben geschenkt, was eher für ihren Einsatz als Gebärmaschine spricht. Wer bereit ist, mit etwas Vermögen in den Schoß der Kirche einzufahren, kann offenbar hinsichtlich der Verwendung des eigenen Schoßes auf Nachsicht hoffen.
Am allerinteressantesten aber ist, welch verschlungene Wege der Herr geht, um den Ärmsten unter seinen Geschöpfen Brot zu senden, welches dann doch nicht als solches bei ihnen ankommt. Und das Gedenken richtet sich dann auch nicht auf die armen Menschen, die an jenem Tag (wieder) kein Abendbrot hatten, sondern auf die Trulla, die es nicht einmal schaffte, ein paar Schnitten (im Sinne von Stullen, Bemmen und so weiter) ins Dorf zu schmuggeln.
Immerhin aber waren in ihrem Körbchen noch Rosen. Wenn heute die Obrigkeit den Armen etwas gibt, dann gibt sie es ihnen aber richtig. Das ist angesichts des obrigkeitlichen Personals auch kein Wunder.
Gegen das ist Elisabeth nun wirklich eine Heilige. Happy birthday, Elly!

* Rosenwunder: Angeblich soll Betty mit einem Körbchen Brot auf dem Wege zu den Armen von ihrem Mann überrascht worden sein. Um sie vor Strafe zu bewahren, ließ der Herrgott ein Wunder geschehen und das Brot zu Rosen werden. Mit Blumen am Straßenrand ertappt zu werden, war damals nicht strafbar.