Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 2. April 2007, Heft 7

Burschenschaften

von Martin Behrens

Sechs Mensuren hat der Obmann der rechtspopulistischen österreichischen FPÖ, Hans Christian Strache, bisher gefochten. Jetzt kämpft er um seinen Ruf. Nachdem im Januar Fotos auftauchten, die ihn mit Neonazis bei einer paramilitärischen Wehrsportübung zeigen, kann er nicht einmal mehr ausschließen, daß es auch Bilder geben mag, die ihn beim Hitler-Gruß zeigen. Ein »dummer Bub« sei er damals, Ende der achtziger Jahre, gewesen; das Ganze nur eine »Provokation«, so der Alte Herr der schlagenden Wiener pennalen Burschenschaft Vandalia.
Es ist kein Zufall, daß sich Verbindungen zum burschenschaftlichen Milieu finden. Immer wieder treten – vor allem in Deutschland und Österreich – frappierende ideologische Schnittmengen zwischen Burschenschaften und Rechtsextremen zutage. Das zeigte nicht erst der Fall Strache. Auffällig wird fast in zyklischer Regelmäßigkeit vor allem die Deutsche Burschenschaft. Mit rund 120 österreichischen und deutschen Burschenschaften ist sie der größte Dachverband ihrer Art. Von Extremisten, die »unter dem Deckmantel der Traditionspflege eine intellektuelle Plattform für ihre menschenverachtenden Ansichten« aufbauen, spricht Wolfgang Hacker, Sprecher der liberalen Neuen Deutschen Burschenschaft in bezug auf einige Bünde der Deutsche Burschenschaft.
Einige Verbindungen nehmen nur deutsche Mitglieder auf (besonders beliebt ist der Zusatz »deutsche Abstammung«), andere nur Katholiken. Und zu wieder anderen hat nur Zutritt, wer Kriegs- oder Wehrdienst geleistet hat.
Kurz vor Jahresfrist, lange bevor der wehrsportübende Strache das eine oder andere schnell wieder abflauende Raunen im Blätterwald verursachte, hatte sich die österreichische SPÖ mit einem Vorstoß aus der Deckung gewagt: Sie forderte im steierischen Landtag das Verbot schlagender Verbindungen. »Leider gibt es immer wieder öffentliche Aussagen von Personen, die nationalsozialistische Wiederbetätigung darstellen … Oft stehen diese Personen in nahem Verhältnis zu schlagenden Studentenverbindungen«, begründete die Fraktion ihren Antrag.
Wie wahr! Der inzwischen zu drei Jahren Haft verurteilte Holocaustleugner David Irving wurde auf dem Weg zu einer Rede vor der Wiener Burschenschaft Olympia verhaftet. Auch dieser Verein ist Mitglied der Deutschen Burschenschaft und hatte deren Vorsitz mehrfach inne. Die Wiener Burschenschafter verschickten Einladungen, die mit einem »Gedicht« verziert waren: »Bist Du häßlich, fett, krank oder fremd im Lande, bist Du Jude oder von linksliberaler Gesinnung gepeinigt … oder [hast Du gar] eine Freundin, die weder schön noch still ist, kurz: bist Du auf deine Weise abnormal oder unfröhlich, dann bleib lieber zu Hause.« Der Hamburger Germania hat diese Perversion so gut gefallen, daß sie sie gleich nachdruckte. Seit einigen Wochen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, weil bei einer Party der Burschenschaft ein Lied mit der Zeile »Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis sechs Millionen Juden, da ist der Ofen an« gesungen worden sein soll.
Wegen derartiger Vorkommnisse rangen auch die hiesigen Sozialdemokraten mit sich. Das Resultat: Es gelte, daß »gegen die Grundsätze der Partei handelt, wer sich in einer Mitgliedsburschenschaft der Deutschen Burschenschaft engagiert«. Was jedoch mit ihm zu geschehen habe, sollte im Einzelfall entschieden werden. Erst auf massiven Druck der Jungsozialisten wurde der Vorstand konkreter – allerdings ruderte er dabei zurück, wohl erkennend, daß er mit M.d.B. Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, nur den prominentesten unter nicht wenigen Burschenschaftern in den eigenen Reihen hat. Lediglich die Mitgliedschaft in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, einer 48 Bünde starken Fraktion, die mit ihrer Sperrminorität jeden Kurswechsel der Deutschen Burschenschaft verhindert, wurde für unvereinbar mit einem SPD-Parteibuch erklärt.
Vorsitzende Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft ist derzeit die Innsbrucker Burschenschaft Brixia. Vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wird sie als »akademische Vorfeldorganisation des Rechtsextremismus« eingestuft. Im Herbst unterstützte die Deutsche Burschenschaft in Südtirol eine Veranstaltung zum Gedenken an die »italienische Unrechtspolitik«. Die Kundgebung habe gezeigt, daß »der Glaube an die gemeinsame Zukunft Nord- und Südtirols auch bei den jungen Menschen des Landes zu erkennen ist … Dies muß auch die Losung für uns deutsche Burschenschafter sein, denn das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist unteilbar und gilt auch für Deutsche«, so der Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Hannes Schmid, im Jargon einstiger Versailles-Revisionisten.
Ins Visier des Verfassungsschutzes im deutschen Bundesland Hessen ist die Burschenschaft Dresdensia-Rugia in Gießen geraten. Sie avanciere zu einer »Denkfabrik der extremen Rechten«. Ende 2004 war die mit Gießener Burschen verstärkte NPD in den sächsischen Landtag eingezogen. Bundesbruder Jürgen W. Gansel war es, der mit seiner Rede vom »Bombenholocaust von Dresden« auffiel.
Andernorts herrscht ein ähnlicher Ungeist. Die Bielefelder Normannia Nibelungen begrüßte Johannes Rogalla von Bieberstein, Autor des Buches Jüdischer Bolschewismus – Mythos und Realität, als Referenten. Die Kontakte der Danubia München in die gewalttätige Skinheadszene ließen Bayerns Innenminister Günther Beckstein von einer »Unterwanderung« durch Neonazis sprechen. Die germanische Mythologie in Vergangenheit und Gegenwart lautete ein noch recht harmloser Vortrag der Burschenschaft Markomannia Aachen-Greifswald im vergangenen Studienjahr. Sie hatte 1994 die Wiedervereinigung Deutschlands mit Österreichs in »einem Europa der Vaterländer« gefordert. Die Kameraden der Greifswalder Burschenschaft Rugia hatten kurz zuvor zum Geschichtsstündchen mit General a. D. Gerd Schultze-Rhonhof geladen. Thema: 1939: Der Krieg, der viele Väter hatte.
Die Zahl der Bundesbrüder mit NPD-Parteibuch gibt der Senior der Greifswalder Rugia mit »unter fünf Prozent« an. Dies sei »bedauernswert«, aber Teil der »freien Meinungsäußerung«. Auch der Bundesgeschäftsführer der NPD-Jugend Junge Nationaldemokraten, Mathias Rochow, ist »Alter Herr« der Rugia. Die »Heimatseiten« der Burschenschaft im Internet sind auf ihn registriert. Für die reaktionäre Junge Landsmannschaft Ostpreußen verantwortete er Flyer mit Titeln wie Ostpreußen soll leben. Der Weg von der Burschenschaft, die für ein »ungeteiltes deutsches Vaterland« eintritt und »alle Standesgesetze bekämpft«, zur äußersten Rechten könnte direkter kaum sein.