Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 5. März 2007, Heft 5

Vater werden ist nicht schwer

von Ines Fritz

Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. Februar entschieden, daß »es dem Grundgesetz (entspricht), wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen. Der Gesetzgeber hat aber zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm (neben dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren) ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine entsprechende Regelung zu treffen.« In der Begründung hierzu heißt es: »Das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm verlangt aber für Fälle, in denen Zweifel an der Vaterschaft bestehen, die Eröffnung eines Verfahrens, in dem die Abstammung geklärt werden kann, ohne daß daran zwingend weitere rechtliche Folgen geknüpft werden.«
Längst wissen alle mit der Adoption befaßten Experten, daß das Wissen um die eigene Herkunft, die »Kenntnis der eigenen Abstammung« ein elementares Menschenrecht darstellt. Kinder, denen dieses Wissen vorenthalten wird, sind lebenslänglich auf der Suche nach ihren Wurzeln. Neuerdings steht es auch erwachsenen Männern in bezug auf ihre Nachkommenschaft zu. Das Recht eines Mannes auf Klärung der Abstammung eines Kindes von ihm? Was soll das sein? Ewige Treue bis in den Tod, ausschließlich für Mütter? Der Generalverdacht schlechthin: Kuckuckskinder können alle sein. Wen würde es stören?
Als Effekt des ganzen männlichen Unmutes über die sexuelle Verderbtheit der Frauen von heute soll nun mittels gentechnischer Untersuchung den bindungsunwilligen Männern eine weitere Möglichkeit eröffnet werden, sich vor der sozialen Verantwortung für Kinder und Familie zu drücken. Selbst, wenn sie bereits eine solche haben. Männer wähnen sich nämlich im Nachteil gegenüber Frauen und Müttern, die zweifelsfrei dabei sind, wenn ein Kind geboren wird. Den Vorteil, grundsätzlich nicht bei einem Seitensprung geschwängert zu werden, beklagen sie nicht.
Sucht man nach Erklärungen für diese neuentdeckte Wichtigkeit der genetischen Abstammung des Kindes vom Vater, muß man festhalten: Weil es neuerdings preiswert prüfbar ist. So adaptiert der Markt die Moral. Im Jahr 2004 gab es 40000 solcher Vaterschaftstest. Achtzig Prozent erwiesen sich als überflüssig. Tendenz steigend, Mann kann es sich jetzt leisten.
»Bei der Geburt kann die Mutter verlangen, daß das Geheimnis ihrer Herkunft und ihrer Identität gewahrt wird.« So heißt es im § 341 des französischen Gesetzbuches. Eine entsprechende Regelung gibt es in Deutschland noch nicht. Eine Frau wird Mutter, wenn sie ein Kind geboren hat. Das regelt der § 1591 BGB. Möchte sie nach der Entbindung keine Mutter sein, besteht die Möglichkeit der Adoptionsfreigabe. Sie wird aktenkundig. Und Kinder haben ein Recht, ihre Abstammung zu erfahren. Theoretisch ist es möglich, daß Frauen in jedem Krankenhaus anonym entbinden können. Aber Krankenkassen zahlen nicht die Kosten für anonyme Geburten. Derzeit sind siebzig Babyklappen bekannt. Frauen haben, sobald sie Mütter werden, nach wie vor kein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Mutter ist man ein Leben lang. Männer schieben sich derweil die Verantwortung untereinander zu. Einer muß es ja gewesen sein.
Die gesetzliche Regelung für Männer zur Vaterschaft besagt: Ein Vater hingegen ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 640h Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gerichtlich festgestellt ist. Klarheit besteht auch hier: Sind die Eltern miteinander verheiratet, ist jedes Kind seines, auch wenn es nicht von ihm ist. Ist man nicht verheiratet, gibt es das Verfahren der Anerkennung oder eine gerichtliche Feststellung, wo es heißt: »Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat.«
Hier nun treibt männlicher Chauvinismus ganz neue Blüten: Private Beziehungsprobleme und gesetzlich aufgenötigte Unterhaltsverpflichtungen lassen die Maskulisten zur Hochform auflaufen: Zu zahlen hat nur der, der auch der leibliche Vater eines Kindes ist. Wie dieser ermittelbar sein soll, sofern er sich nicht freiwillig stellt, bleibt weiterhin offen. Die von Frau Zypries angekündigte vereinfachte Verfahrensweise gibt den Männern hier ein neues Machtinstrument in die Hand. Jeder wütende Exmann wird zukünftig seiner Familie das Leben zur Hölle machen können.