Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 5. Februar 2007, Heft 3

Zu Gast bei Freunden

von Herbert Jahn

Berlin. Am 19. September 2006 hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Berlin nach 52 Hauptverhandlungstagen den am 5. September 2006 aus dem Gericht geflohenen Angeklagten Martin R. (44) in Abwesenheit wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung, Beihilfe zum Meineid u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Schaden beziehungsweise die Gefahr für das Vermögen der Opfer bezifferte das Gericht auf über 2,5 Mio. Euro.

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Braunschweig. Peter Hartz ist am 25. Januar 2007 vom Landgericht Braunschweig zu zwei Jahren auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen – insgesamt 576000 Euro bei einem Monats-Nettoeinkommen von 25000 Euro und einem Anlagevermögen von 2,7 Millionen Euro – verurteilt worden. Hartz mußte sich wegen der VW-Affäre um Schmiergelder in Millionenhöhe und firmenfinanzierte Lustreisen verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem 65jährigen Untreue in 44 Fällen vor. In 23 dieser Fälle ging es auch um die unrechtmäßige Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds. Das Urteil ist das Ergebnis einer Verabredung von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

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Nach Angaben des Spiegels habe sich für solche »verfahrensbeendenden Absprachen« unter Juristen längst auch das Wort »Deal« eingebürgert, das den schillernden Charakter des »Handels mit der Gerechtigkeit« deutlich macht. »Gerade in Wirtschaftsprozessen ist die Absprache inzwischen die Regel; nach Schätzungen sollen rund 80 Prozent inzwischen so erledigt werden.«

Wie es eben ist, wenn man zu Gast bei Freunden ist.

Justitia, ich wein’ bitterlich, du gehst auf einen langen —

Kurt Tucholsky