von Wolfgang Haible, Peking
Bei der Abschlußprüfung in Fach Wirtschaftsdeutsch wurde folgende Frage gestellt: »Sie sind ein sehr reicher Deutscher. In Deutschland gewinnt die Kommunistische Partei die Wahlen. Welche Aktien würden Sie kaufen, welche verkaufen – oder: Was würden Sie machen?«
Die meisten Studenten meinten, daß sie die Aktien von Privatfirmen sofort verkaufen und statt dessen Aktien von Staatsfirmen beziehungsweise staatlich kontrollierten Firmen kaufen würden. Auch die Aktien von Firmen, die von Kommunisten geführt werden oder in Parteibesitz sind, kamen für sie in Frage.
Natürlich gab es auch vorsichtige Studenten, die etwas Geld in »philanthropische« Unternehmen stecken wollten, in der Hoffnung, daß sich der damit verbundene moralische Gewinn in einen wirtschaftlichen verwandele. Einer wollte auch gleich in die neue Regierungspartei eintreten, um so eine gute Stelle zu finden. Er ist im Moment Mitglied der hiesigen regierenden Partei.
Ganz vorsichtige Studenten, das waren aber wenige, wollten ihr Geld ins Ausland bringen oder teilen, Hälfte Staatsfirmen, Hälfte Ausland. Und noch weniger Studenten wollten in der ersten Reaktion ins Ausland fliehen, erinnerten sich dann aber des Charakters der Kommunistischen Partei. Da es keine sowjetischen oder alten chinesischen Typs mehr gibt, erkannten sie schnell, daß sie kaum zu fliehen bräuchten, denn die zu erwartenden Änderungen wären eher reformerischer Natur. Deshalb erwogen sie dann doch eher eine Zusammenarbeit mit der KP.
Wo die Prüfung stattfand? An einer von der chinesischen Kommunistischen Partei gegründeten Universität im Jahre 2006. Vor den chinesischen Kommunisten und vor allem vor ihrem Nachwuchs brauchen sich unsere Reichen und Aktienbesitzer nun wirklich nicht mehr zu fürchten.
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