von Klaus Hart, São Paulo
In Brasilien leben über zwei Millionen Muslime, es gibt es eine große Zahl islamischer Kulturvereine, Schulen und Kindergärten, arabischer Laden-und Restaurantketten.
Sheik Jihad Hassan Hammadeh, Vizepräsident der islamischen Gemeinde, wurde jüngst durch die Wirtschaftszeitung Diario de Comercio über die Verwendung Mohammeds in Karnevalsliedern befragt. »Ich sehe nichts Pejoratives in diesen Musiken«, sagte Hammadeh. Die islamische Gemeinde Brasiliens schaue bei diesen Karnevalsliedern nicht so genau hin, schenke der Sache keine Aufmerksamkeit, meinte der Sheik, zumal man in Brasilien die portugiesische Schreibweise »Maomè« und nicht Mohammed, verwende.
Die Karikaturen in einer dänischen Zeitung hingegen verurteilte er scharf, weil mit ihnen die islamische Religion beleidigt werde. »Ich habe den Eindruck, jetzt sind wir dran, so wie in der jüngeren Vergangenheit die Kommunisten«, wird er zitiert. Die Revolte der Moslems wegen der Karikaturen hält er für gerechtfertigt. »Wenn mir etwas heilig ist, und dies wird entweiht, werde ich es verteidigen, und sei es mit Blut.«
Seit vielen Jahrzehnten sind Mohammed und Allah fester Bestandteil des brasilianischen Karnevals. Seit jeher verkleiden sich ungezählte Brasilianer mit Maske und Kostüm als Prophet Maomè und stürzen sich in den Straßenkarneval, ziehen zu den famosen Fastnachtsbällen. Die Karnevalskomponisten erfinden immer neue Lieder und Märsche über den exotischen Orient, in denen Maomè und Allah erwähnt werden.
Auch in Rio de Janeiros größtem Showpalast, der Scala des noblen Strandviertels Leblon, spielen die Orchester in jeder Karnevalsnacht gleich mehrmals im Konfettiregen einen frechen, schnellen Marsch, in dem auf Maomè angespielt wird. Die Musik ist ein Klassiker – landauf, landab, bis hinauf nach Amazonien ist sie ein Hit und wird beinahe an jeder Straßenecke auf CDs verkauft. »Schau dir mal die Haarpracht von Zezè an«, heißt es da, »ist er etwa Bossa Nova, ist er Maomè? Es scheint ganz so, als sei er verdreht, irregeleitet …« Und dann wird dazu aufgefordert, Zezè die Haarpracht abzuschneiden.
Mehrere tausend leichtbekleideter Narren schmettern mit Lust immer wieder dieses Liedchen, das in Brasilien wirklich jedes Kind kennt. Und wenn dann die Hitze im Saal ansteigt, die Narren beschwipst von Caipirinha auf Tische und Stühle steigen, der Schweiß in Strömen rinnt, stimmt die Kapelle mindestens genauso oft jenen Fastnachtsmarsch aus den vierziger Jahren namens Allah-la-Ò an. »Allah – was für eine Hitze«, heißt es da«, wir durchqueren die Sahara, kamen aus Ägypten, und mußten viele Male beten – Allah, Allah, Allah, mein guter Allah, schicke Wasser nach Ioiò, schicke Wasser nach Iaià …«
Seit dem Streit um die Mohammedkarikaturen fragen sich viele Karnevalsbegeisterte Brasiliens, ob dieser Umgang mit Maomè und Allah im größten Volksfest des Landes möglicherweise Anstoß finden könnte. O Globo aus Rio de Janeiro, die zweitgrößte nationale Qualitätszeitung, verweist darauf, daß man sich zwar stets etwa in jenem Marsch über Maomè belustigte, aber ohne jegliche Absicht, Blasphemie zu betreiben. Allgemein wird festgestellt, daß Proteste der mehreren Millionen in Brasilien lebenden Moslems gegen solche Karnevalshits ausgeblieben sind.
Der immer wieder zitierte Harem Mohammeds kam natürlich nicht nur im Karneval vor. Bereits 1958, so wurde jetzt in den Medien erinnert, hatte eine Filmkomödie großen Erfolg, in der eine der damals beliebtesten Bands im Stile eines Videoclips das Liedchen Harem do Maomè präsentierte. Es geht darin um die Bestellung einer weiteren Frau, bei der es sich jedoch unbedingt um eine Schwarze handeln müsse. »Wer könnte sich heute wegen dieses Textes mehr beleidigt fühlen – die Moslems oder die Schwarzen«, fragt die Tageszeitung O Globo. Und betont, daß in Brasilien Juden und Araber harmonisch zusammenleben. Brasilien tickt anders.
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