Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 20. Februar 2006, Heft 4

Schnäppchenmarkt an der Spree

von Alfred Fleischhacker

Das Areal des einstigen Rundfunks der DDR in der Berliner Nalepastraße steht zur Disposition, die Gemengelage ist unübersichtlich. Ex-Bundeskanzler Kohl beauftragte schon kurz nach dem Anschluß einen seiner Getreuen aus Bayern, Mühlfenzl, die Sender stummzuschalten. Am 31. Dezember l991 wurden um Mitternacht die Stecker gezogen.
Nach einer gewissen Zeit wurde sich daran erinnert, daß es dort gut ausgestattete Tonstudios, Aufnahmeräume und einen Sendesaal mit einer Akustik gibt, die von Experten als phänomenal bewertet wird. Das Babelsberger Filmorchester hat sich nicht zuletzt deshalb dort eingemietet. Wie auch etwa 140 Firmen, darunter etliche aus der Musikbranche, die die technischen Einrichtungen nutzen.
Das komplette Areal wurde nach dem endgültigen Aus des DDR-Rundfunks den fünf Neuen Ländern zugesprochen. Die gründeten eine Landesimmobilien Gesellschaft Limsa (mit Sitz in Sachsen-Anhalt) und beriefen einen Geschäftsführer. Freimütig wurde mir mitgeteilt, daß die Mieteinnahmen monatlich etwa 25000 Euro betragen, die Betriebskosten aber fünfmal so hoch seien. Warum sich die fünf Länder nicht entschlossen, den Berliner Senat mit der Obhut und weiteren Nutzung zu beauftragen, bleibt im Dunkeln.
Es mutet fast wie ein Märchen an, daß ein Bauunternehmer aus Sachsen-Anhalt, mithin dem Land, in dem die Limsa sitzt, nicht nur sein Kaufinteresse bekundete, sondern auch in kürzester Frist das gesamte Areal an sich ziehen konnte. Es umfaßt etwa dreizehn Hektar, eine zweistellige Zahl an Gebäuden, darunter mindestens drei denkmalgeschützte, sowie alle technischen Einrichtungen, die sich dort befinden: eine große Garagenhalle, Werkstätten, einen großen Versammlungssaal und vieles mehr. In einem Gutachten wird der Wert des Komplexes mit dreißig Millionen Euro beziffert. Frank Thiele aus Jessen, ehemals Fliesenleger, kaufte die Immobilie Nalepastraße für schlappe 350000 Euro, mutierte flugs zum Manager und holte sich den Berliner Projektentwickler Wolf D. Hartmann mit ins Boot.
Die verdi-Seniorengruppe ehemaliger Mitarbeiter des Rundfunks, die bislang mehrmals jährlich in der Nalepastraße zusammenkam, bat um Aufklärung über Zusammenhänge des bekanntgewordenen Deals. Doch die scheinen kurioserweise auch dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen des Berliner Senats, Harald Wolf, verborgen geblieben sein. Nur so ist zu erklären, daß er gegen den Kaufvertrag der Limsa mit Thiele protestierte. In einem vertraulichen Positionspapier für den Senat – von der Morgenpost veröffentlicht – schlug er vor, die Bewirtschaftung und Vermarktung des Geländes dem Land Berlin zu überlassen.
Der Chef der Bau und Praktik GmbH, Frank Wiese, läßt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Hat er doch den Mietern in der Nalepastraße mitgeteilt, zum Februar würden neue, natürlich höhere Mieten gelten. Bei Nichtbezahlung würden Wasser und Strom abgeschaltet. Den Herren im Roten Rathaus dämmerte – hoffentlich nicht zu spät-, daß diese Medieneinrichtung Opfer spekulativer Vorgänge werden könnte.
Die Bezirksverwaltung Treptow-Köpenick muß von ähnlichen Befürchtungen ausgegangen sein, als sie Mitte Januar alle in diesen Handel Involvierten zu einer Sondersitzung in die Nalepastraße einlud. Doch der neue Besitzer Manager Thiele kam nicht. Er zog es vor, seinen Fachmann Hartmann nach Oberschöneweide zu schicken. Dessen einstündige Präsentation eines Konzepts für eine Media und Entertainement City überzeugte keinen der Anwesendcn. Zumal Hartmann auch auf bohrende Nachfragen zu Investoren und Geldgebern dieses Projekts jede Antwort schuldig blieb. Gegenüber dem Tagesspiegel räumte er jedoch ein, daß Thiele bereits einen Vorvertrag mit einem Käufer geschlossen habe, der für sechs Millionen Euro den nördlichen Geländeteil erwerben wolle. Er, Hartmann, habe seinem Geschäftsführer von diesem Deal abgeraten; »aber hindern kann ich ihn nicht«.
Mithin verdichtet sich die Annahme, daß an dem Geschäft zwischen der Limsa und Thiele mehr als nur ein »Geschmäckle« haftet. Diese Einsicht muß inzwischen auch Limsa-Geschäftführer Hans-Erich Gerst gekommen sein. Nach der Beratung in der Nalepastraße zitierte ihn die Berliner Zeitung mit der Äußerung: »Das Ganze ist eine üble Sache, und ich fürchte, die wertvollen Gebäude sollen gegen die Wand gefahren werden. Dagegen müssen wir etwas tun.«
Sittenwidrige Schnäppchen, Mauscheleien oder seröse Transaktionen – das ist jetzt die Frage. Im Zweifel empfiehlt sich ein Blick ins Strafgesetzbuch.