von Anton Westermann
Obgleich er Amerikaner ist, nenne ich ihn Herrn statt Mister. Denn erstens klingt das gut, weil es irgendwie an Friedrich Engels’ Polemik gegen Eugen Dühring erinnert, und zweitens lebt Herr Snower zur Zeit in Deutschland, wo er in Kiel das namhafte Institut für Weltwirtschaft leitet. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab er letztens ein Interview zum Thema »Kombilohn«. Das erkläre ich mir damit, daß er die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zu der diese Lohnform beitragen soll, richtigerweise als ein weltweites Problem und insofern als einen Aspekt der Weltwirtschaft ansieht.
Die Überschrift lautete: Gutscheine könnten Arbeitslosigkeit bedeutend senken. Nanu, dachte ich, will man jetzt den »abhängig Beschäftigten« wie vor einiger Zeit und mancherorts den Asylbewerbern statt Geld Gutscheine aushändigen, damit sie nur dies und das oder hier und dort kaufen und ihr Geld nicht sonstwohin, womöglich ins Ausland tragen? Dann fiel mir ein, daß in den ersten Nachkriegsjahren uns Kindern in der Schule Bezugscheine ausgehändigt wurden, mit denen die Eltern für uns ein Paar Schuhe oder einen Trainingsanzug kaufen konnten. Später in der DDR und bis zu deren Ende konnte man so ein Anrecht auf ein Auto oder auf eine Neubauwohnung erwerben. In manchem Kombinat (oder auch »privilegierter Institution«) versuchte man auf diese Weise, das Arbeitskräfteproblem zu lösen – das im Vergleich zu heute in einer genau entgegengesetzten Zwangslage bestand, nämlich im Arbeitskräftemangel. Das konnte also angesichts des allgemeinen Überflusses an Gütern aller Art mit dieser Überschrift nicht gemeint sein. Es geht um eine andere Gutscheinart. »Beschäftigungsgutscheine« will der kluge Amerikaner ausgeben lassen. »Der Wert solcher Gutscheine«, schlägt er vor, »würde mit der Länge der Arbeitslosigkeit zunehmen. Jeder Arbeitslose bekommt einen Gutschein, den er bei einer Arbeitsplatzzusage an den Arbeitgeber weiterreichen kann. Das Unternehmen kann damit seine Lohnkosten senken.«
Mit den Steuern der Allgemeinheit nicht etwa durch mehr Verbrauch mehr Markt und mehr Nachfrage und damit wirklich mehr Beschäftigung erzeugen, ist der Sinn der Übung, sondern die Kosten der Unternehmen zu senken und ihre ohnehin übervollen Kassen, deren Inhalt schon heute spekulativ an die Börse wandert, noch weiter zu mehren.
Mit dem snowerschen System sollen Beschäftigungsanreize geschaffen werden. Und: »Natürlich stiegen die Anreize, wenn man die Grundsicherung senkte«, meint der Erfinder. So könne der Staat auch noch bei den Sozialausgaben sparen. Fast ein Perpetuum mobile – wären da nicht die Menschen. An sie denkt Snower schließlich doch noch. Man sollte ihnen »nicht unnötig wehtun!« Tierschützer sollten ihn als Vereinsmitglied werben!
Weltwirtschaftler Snower schlägt daneben noch »Ausbildungsgutscheine« vor. Er möchte, »daß der Staat Ausbildungsgutscheine austeilt, die dann bei unabhängigen Anbietern eingelöst werden können. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, um so höher sollte der Wert des Gutscheins sein.« Alles dies natürlich wieder zu Lasten der öffentlichen Kassen und zum Nutzen der Unternehmen!
Stellt sich die Frage: Wäre das nun (Neo-)Liberalismus oder Staatsverwaltungswirtschaft niederer Art? Lernen könnte Herr Snower allemal von den DDR-Oberen – nicht zuletzt wie man eine Volkswirtschaft bürokratisch gegen den Baum fährt. Doch er beruft sich lieber auf Beispiele aus den USA. Daß dort abermillionen wenig oder gar nicht qualifizierte Arbeitslose mehr vegetieren als leben, ficht ihn nicht an (oder es hat ihm einfach noch niemand mitgeteilt …). Wer die Weltwirtschaft im Blick hat, kann sich mit derartigen Kleinigkeiten nicht abgeben.
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