Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 7. November 2005, Heft 23

Die Lust am Scheitern

von Claudia von Zglinicki

Das Theater RambaZamba feiert seinen fünfzehnten Geburtstag mit einem Festival. Schon allein der Titel zwingt mich, hinzugehen. Die Lust am Scheitern. Fehlt uns doch genau das: zu genießen, daß wir nicht perfekt sind. Und wer könnte uns das besser zeigen als die Schauspielerinnen und Schauspieler der Integrationstheater, zu denen Künstler gehören, die allgemein als Behinderte bezeichnet werden. Das Schweizer Theater Hora gab seinem besten Gastspielstück diesen Titel.
Achtzehn Jahre besteht das Theater schon, seit drei Jahren ist seine Existenz finanziell gesichert. Die Lust am Scheitern gaben die Schauspieler und Musiker schon oft und immer wieder anders. Einmal dauerte die Aufführung 24 Stunden, non stop. Alles, behaupten die Künstler, sei improvisiert. Keine Vorstellung gleiche der nächsten. Man kann es kaum glauben, so professionell agieren die paar Leute auf der Bühne, so genau paßt eine überraschende Aktion in die andere. Die eine fährt LKW, pantomimisch natürlich und mit Gebrumm, der andere liegt als Schneckli zu ihren Füßen und wird überfahren. Oder doch nicht? Tod oder Liebe? Oder worum geht es hier? Es läßt sich nicht erzählen, es ist zu laut und lebendig, um beschrieben zu werden. Hora wird bestimmt wieder nach Deutschland kommen, auch nach Berlin, dann sollte man die Truppe nicht verpassen.
Das Gastspiel war Teil des internationalen Festivals No Limits, veranstaltet von der Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur. Zugleich konnte RambaZamba, das Theater des Vereins Sonnenuhr in der Berliner Kulturbrauerei, sein fünfzehnjähriges Bestehen feiern. Gratuliert haben die Künstler sich selbst mit einer rasanten Revue, auf der Angela Winkler mit ihrer Tochter, der bei RambaZamba spielenden Schauspielerin Nele Winkler, das berühmte Duett aus der Dreigroschenoper sang: Komm heraus, du Schönheit von Soho.
Glamour lag schon darin, wie die beiden Frauen die geschwungene Revuetreppe hinuntertanzten. Und dann die Stimmen und das Spiel – nichts da von Mitleid, weil die eine der beiden Künstlerinnen doch »behindert« ist. Das Publikum jubelte.
15 Jahre Lebenswut nannten die Künstlerinnen und Künstler ihr Jubiläum. Seit fünfzehn Jahren spielen, musizieren und malen sie, entdecken die Begabungen, die in ihnen stecken. Der Anspruch ist hoch, hier geht es um Kunst, nicht um ein nettes Hobby. Lebenswut wird dafür gebraucht, beim Kampf um Geld und Anerkennung, um Unterstützung, die für eine regelmäßige Arbeit gebraucht wird. Denn die beiden Ensembles, die das Theater RambaZamba bilden, haben einen regulären Spielplan, spielen an jedem Wochenende. Das geht nur mit Profis, die ernsthaft Stücke entwickeln und lange Probenzeiten haben. Die Geld damit verdienen können, in einer Werkstatt der Künste statt einer Behindertenwerkstatt. Bis es soweit ist, herrscht weiter Lebenswut. Nosferatu – Die leeren Häuser (Regie Klaus Erforth) hatte während des Festivals Premiere in der Volksbühne. Für 2006 ist von einem Projekt die Rede, zu dem die Regisseurin Gisela Höhne ein Stichwort nennt: Fußball. Wie? Na, warten wir es mal ab.

www.hora.ch; www.sonnenuhr-berlin.de; www.no-limits-festival.de