Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 24. Oktober 2005, Heft 22

Ewige Schönheit

von Jan Bonin

Ewige Schönheit – der Film-Essay mit dem Untertitel Film und Todessehnsucht im Dritten Reich von Marcel Schwierin hat das Verdienst, filmische Ästhetik des »Dritten Reiches« auf geschickt verdichtete Weise vorzuführen.
Es sind die immer gleichen Bilder von Kornfeldern, zufriedenen Massen und Aufbruchsstimmung, die hier in ihrer Redundanz auf den Zuschauer eindringen, es ist der entmenschlichte Körper, die vermenschlichte Maschine, die einer ganzen Gesellschaft eine fatal kohärente Struktur gab. Schwierin ordnet sein Material nach Themen: Körper, Tod, Krieg und so weiter. Er zeigt wie der Sport wirkte, wie Bilder erotisiert werden, nicht nur die der germanischen Helden, sondern auch die der Maschinen – besonders gut wird das an einem Werbefilm der Metallindustrie sichtbar. Die Großaufnahmen von arbeitenden Händen, die ständige Betonung der Kreisform. Über Kegel hüpfende junge Mädchen gesellen sich nie zu jungen leibestüchtigen Männern – diese schreiben Kameradschaft groß. Es herrscht strikte Geschlechtertrennung.
Der Film-Essay gibt einem Hang zur Verulkung nach, aber anders kann man mit diesen Bildern kaum umgehen. Neben der Blut-und-Boden-Thematik, die er sehr schön am Beispiel der todessüchtigen »Reichswasserleiche«, der Schauspielerin Christina Södermann, festmacht und die sich in einem konkreten Kreislauf materialisiert, stellt Schwierin filmtechnische Methoden heraus. So wurden die »Germanen« von unten mit Himmel aufgenommen, während in dem Propagandafilm Der ewige Jude genau das Gegenteil passiert und die Gesichter der Warschauer Juden verdüstert werden.
Problematisch an dem Film ist zweierlei. Einmal wäre es sicher besser gewesen, sich auf ein Filmgenre zu konzentrieren, während hier Ausschnitte der Wochenschau und aus Berg- oder Heimatschmonzetten nebeneinander gestellt werden. Sodann wird kommentarlos eine Linie vom expressionistischen Film Langs und Murnaus zur Filmästhetik des »Dritten Reiches« gezogen, indem der Aufbau eines Feindbildes als anschlußfähig dargestellt wird. Das sollte zumindest diskutiert werden.
Abgesehen von einigen wenigen zu einfachen Kommentaren (»Gut, daß das keine tausend Jahre gedauert hat«) bleibt es dem Autor hoch anzurechnen, daß er etwas sehr Grundsätzliches über den Fortbestand des Mythos »Drittes Reich« beiträgt. Dieser Mythos wird über Bilder vermittelt, die aus der Ideologie selbst hervorgegangen sind, auch mit dem Ziel, die Verbrechen zu übertünchen. Angebracht erscheint auch ein Vergleich: Die schriftliche Ankündigung vor einer Schächtungsszene, sensible Volksgenossen mögen doch bitte wegsehen, haben zu viele Deutsche bei der Vernichtung der Juden beherzigt.