Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 18. Juli 2005, Heft 15

Die Abgründe der Traumwelt

von Uli Brockmeyer

Joe Eszterhas gehört zu den unausstehlichsten Menschen von Hollywood – und er ist stolz darauf. Er kann es sich leisten, denn er ist auch der erfolgreichste Drehbuchschreiber jener Traumwelt. Niemand sonst kann derartig viel Profit aus seinen Büchern herausschlagen wie der gebürtige Ungar, und niemand hat so viele Drehbücher an den Mann bringen können wie er.
Die Studios zahlen ihm Millionen für ein Script, bevor der erste Meter Film gedreht wird. Er kann auf den Riesenerfolg von Basic Instinct verweisen und darauf, daß Sharon Stone diesem Buch ihre Entdeckung und ihre Berühmtheit verdankt – und sich angeblich mit einem One Night Stand bei ihm persönlich bedankte … Und selbst wenn einer seiner Filme als »Flop« in die Hollywood-Geschichte eingeht, so geht er doch nicht ein, sondern wirft immer noch ausreichend Gewinn ab.
Joe Eszterhas gehört auch zu den meistgehaßten Leuten in Hollywood. Denn er paßt irgendwie nicht ins Bild, nicht zur Schickeria. Er säuft und hurt quer durch die Landschaft, wirft das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, ist grobschlächtig gegenüber Regisseuren – nur wenige waren bereit, einen zweiten Film mit ihm zu machen –, gegenüber Schauspielern, Agenten, Journalisten. Das unterscheidet ihn nur unwesentlich von anderen Hollywood-Größen, jedoch: Er macht all dies öffentlich.
Eszterhas ist so etwas wie ein Rebell und Gesetzloser, manche sehen in ihm auch einen Romantiker und Moralisten. Nicht wenige nennen ihn öffentlich einen Teufel. Es macht ihm nichts aus, es macht ihn sogar stolz. Und er ist – zumindest in Hollywood – gleich nach Zsa Zsa Gabor der berühmteste oder berüchtigtste noch lebende Ungar.
Eszterhas hat nichts mit der bekannten Adelsfamilie der Eszterházy zu tun, also auch keine verwandtschaftlichen Beziehungen mit dem Schriftsteller Péter Esterhazy. Seinen Namen erklärt er mit der Bedeutung des ungarischen Wortes eszterhás (ausgesprochen etwa: esterhaasch): »Ein Vagabund, der sein Quartier jede Nacht an einem anderen Platz aufschlägt«.
Er ist so etwas wie der verkörperte »amerikanische Traum«. Joe wurde 1944 in Ungarn geboren, die Familie emigrierte nach dem Krieg, verbrachte zunächst einige Jahre in österreichischen Flüchtlingslagern, ging dann in die USA, nach Cleveland. Sein Vater István war ein ungarischer Romancier und Nationalist, der im Exil weder mit dem dortigen Leben noch mit der Sprache wirklich zurechtkam. Joe arbeitete als Möbelpacker, als Diskjockey und als Zeitungsreporter. Autodiebstähle, Prügeleien, Konflikte mit der Polizei gehörten zu seinem Jugendalltag. Aber er wollte schreiben, und so wurde er letztlich Drehbuchautor.
Seinen Ehrgeiz führt Eszterhas zum Teil auf seinen Urgroßvater zurück, der sich in die USA absetzte, weil er nicht zur k.u.k. Armee gezogen werden wollte. Da ihm seine Arbeit im Bergwerk nicht so recht gefiel, ging er in den Westen und wurde reich – durch Überfälle auf Postkutschen … Joe übertrumpfte im Hinblick auf seine Einnahmen bald seinen Urgroßvater, sein Agent vergleicht seine Honorare bisweilen mit »Banküberfällen«.
Im Laufe seiner Arbeit mit und in Hollywood ist er Robert Redford, Tom Cruise, Maximilian Schell, Kevin Bacon, Jeff Bridges, Debra Winger, Glenn Close und vielen anderen Berühmtheiten begegnet, lediglich die berühmteste Ungarin Zsa Zsa Gabor war an einem Treffen mit ihm nicht interessiert.
Seine Filme spielten im Laufe der Jahre mehr als eine Milliarde Dollar an den Kinokassen ein. Die größten Erfolge waren neben Basic Instinct die Filme Flashdance, Das Messer und F.I.S.T. – ein Mann geht seinen Weg (gemeinsam mit Stallone). Mit Costa-Gavras machte er Verraten und Music Box.
Eszterhas leistet sich das Privileg, von den Regisseuren die hundertprozentige Umsetzung seiner Scripte zu verlangen. Er vergleicht sich mit einem Komponisten, der eine Partitur schreibt, und der Regisseur ist in seinen Augen nichts anderes als ein Dirigent, der dem Orchester zu erklären hat, wie daraus Musik wird. Daß er dabei auch danebenliegen kann, bewies Eszterhas mit Büchern wie Sliver, Jade und Showgirls, mit denen er vergeblich an den Erfolg von Basic Instinct anzuknüpfen versuchte.
Nun liegt seine Autobiographie vor, eine gnadenlose Abrechnung mit der Glitzerwelt, aber auch mit sich selbst.

Joe Eszterhas: Hollywood Animal. Stars, Skandale und Affären: Der erfolgreichste Drehbuchautor aller Zeiten packt aus, aus dem Amerikanischen von Hans Freundl, Norbert Juraschitz, Thomas Pfeiffer, Random House Entertainment 2004, 896 Seiten, 24,90 Euro