Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 9. Mai 2005, Heft 10

»In Gottes Namen …«

von Gerd Kaiser

Die Losung In Gottes Namen für Eure und Unsere Freiheit wurde erstmals im Novemberaufstand der Polen 1830 benutzt. In polnischer Sprache leuchtete sie auf der einen, in russischer Sprache auf der anderen Seite des purpurroten Banners, auf das die Worte gestickt waren. Überliefert ist, daß eine Artillerieabteilung der polnischen Aufständischen die gleiche Losung auf einer weißen Feldstandarte trug, die als Feldzeichen nicht den polnischen Adler, sondern ein rotes Kreuz zeigte. Als Autor der Losung gilt ein hochgerühmter Wissenschaftler, der Historiker Joachim Lelewel (22. März 1786 in Warschau – 29. Mai 1861 in Paris), Vorkämpfer für Polens Freiheit wie auch für die Freiheit anderer Völker Europas.
Die Feldstandarten mit dem Anliegen der Aufständischen wurden 1830 in den Vorpostenstellungen aufgesteckt, wobei den polnischen Linien die polnischsprachige Seite, den Soldaten des Zaren, dessen Regime die Polen unterdrückte, die russischsprachige Seite zugewandt war.
Seitdem begleitet diese Losung – auf die ersten drei Worte verkürzt – den Kampf von Polen sowohl um ihre eigene nationale und soziale Freiheit als auch um die weiterer europäischer Völker. Das war auch im Kampf gegen die existentielle Bedrohung des polnischen Staatswesens wie des polnischen Volkes zwischen 1939 bis 1945 der Fall.
Heute wird in Deutschland völlig verschwiegen, daß Polen nach der Sowjetunion, den USA und Großbritannien die viertgrößte Streitmacht der Antihitlerkoalition stellte. Das Land führte mehr Soldaten ins Feld als beispielsweise Frankreich. Polens Soldaten kämpften im Osten wie im Westen, in Nordeuropa wie in Nordafrika. Wieder einmal im Exil, stellte die Regierung Polens 1940 annähernd 83000 Soldaten dem Kampf gegen die Wehrmacht in Frankreich und Norwegen zur Verfügung. Und: Nach der Niederlage Frankreichs und Norwegens kapitulierten diese Streitkräfte nicht, sondern schlugen sich nach Großbritannien durch oder schlossen sich dem Kampf der Résistance und weiterer Partisanenverbände an.
Polnische Truppen verteidigten in der Folgezeit in Nordafrika Tobruk, befreiten unter Montgomerys Oberbefehl Nordafrika und landeten gemeinsam mit den GI 1943 in Italien. Dort beteiligten sie sich an der Befreiung Italiens, unter anderem bei der Schlacht um Monte Casino. In Westeuropa nahm die 1. Polnische Fallschirmjäger-Brigade mit einer der größten Luftlandeoperationen des Zweiten Weltkriegs im Raum Arnheim an der Befreiung von Belgien und den Niederlanden teil. Am Luft- und Seekrieg beteiligten sich vor allem von Großbritannien aus einige Jagdflieger- und Aufklärungsgeschwader.
Insgesamt kämpften an der Seite der Westalliierten an verschiedenen Fronten mehr als 200000 Polen. Eine polnische Streitmacht von 250000 Kämpfern nahm am Kampf für Polens Freiheit und die Befreiung der Völker Osteuropas vom Joch des Hakenkreuzes teil.
Allein in der letzten Phase des Krieges, bei der Befreiung Brandenburgs und bei der Einkesselung Berlins, kämpften zwölf polnische Infanterie-Divisionen, ein Panzer-Korps, zwei Panzerbrigaden und vier Panzer-Regimenter. Die Polnischen Streitkräfte setzten dabei 3100 Artilleriegeschütze und 320 Flugzeuge ein.
Wo es nur geht, wird heute die Teilnahme von Polen am Kampf, insbesondere die Teilnahme von Truppen der 1. Polnischen Armee an der Befreiung von Berlin, verschwiegen oder verfälscht. In Berlin kämpften 12000 Soldaten der 1. Infanterie-Division, die den Namen des polnischen Freiheitskämpfers Tadeusz Kosciuszko trug. Erstmals hatte diese Division 1943 an der Ostfront, bei Lenino in Belorußland, in die Kämpfe eingegriffen. In Berlin kämpfte auch eine polnische Artillerie-Brigade. Geschützbedienungen und Infanteristen waren in der näheren Umgebung von Reichstag und Brandenburger Tor eingesetzt.
Vor der Rückkehr in ihre Heimat defilierten sie im Mai 1945 durch dieses Brandenburger Tor. Viele von ihnen hatten seit 1939 nicht nur für ihre, sondern auch für unsere Freiheit gekämpft. Gott sei Dank.