Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 25. April 2005, Heft 9

Im Märzen

von Ursula Malinka

Der März ist vorbei und der Internationale Frauentag demzufolge auch – hat ihn jemand gefeiert? Wohl kaum, es gab ja nichts zu feiern. Aus der offiziellen Politik ist er schon lange verschwunden. »… Alle Bundestagsfraktionen sehen die Gleichberechtigung der Frauen noch in weiter Ferne. Wenn es im jetzigen Tempo weitergehe, sei es im Jahr 2312 in Deutschland so weit, erklärte die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerik gestern in einer Parlamentsdebatte zum Internationalen Frauentag am 8. März. … (AP)«
Dies war 1999 zu lesen. Sechs Jahre später findet auch eine Debatte statt, allerdings erst zwei Tage nach dem Ereignis, die unter mangelnder Beteiligung von SPD und Grünen leidet. Doch auch 1999 gab es schon beträchtliche Defizite: »… die Familienministerin ist in der Runde – Bündnis für Arbeit – einfach nicht dabei«, schrieb Petra Bläss seinerzeit aus gleichem Anlaß im Neuen Deutschland. Die damalige Frauen- und Familienministerin war immerhin Christine Bergmann, ins neue Kabinett ist sie erst gar nicht wieder eingetreten. Statt dessen ist sie nun prominentes und ostdeutsches Mitglied der Ombudskommission zum besseren Schlucken von Hartz IV, wovon insbesondere Frauen betroffen sind. Womit uns die Regierung dieses Jahr beglückte? »… wir werden am diesjährigen Internationalen Frauentag das Portal www.frauen-machen-karriere.de eröffnen«, verkündete die Ministerin Renate Schmidt im Internet in ihrem Grußwort nach New York.
Denn auch im März 2005 wurde auf der Sitzung der Commission on the Status of Women der Vereinten Nationen die Umsetzung der auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 beschlossenen Aktionsplattform offiziell bilanziert. Alle UN-Mitgliedsstaaten waren im Jahr 2004 aufgefordert, in einem Fragebogen über den Stand und die Entwicklung der nationalen Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform an die Vereinten Nationen zu berichten. Davon war im Vorfeld in den Medien praktisch keine Rede. Und das in der Bundesrepublik zuständige Ministerium setzt offensichtlich bei allen Frauen, deren Mehrzahl von der Frauenpolitik »nur betroffen« ist, ohne selbst diese Politik zu bestimmen, moderne Technik voraus, um an entsprechende Informationen zu kommen.
Seit dem 25. November 2004 gab es einen Newsletter auf der Internetseite des Frauenministeriums mit der Ankündigung, daß die Antworten der Bundesrepublik Deutschland Anfang 2005 in deutscher Sprache auf die Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gestellt würden. Da fragt man sich dann doch, wie sich Interessierte, oder im Politjargon Akteurinnen, eigentlich mit dem Material auseinandersetzen können sollen, wenn es nicht rechtzeitig publiziert wird? Im Newsletter wurde auf die bereits zur Verfügung stehende englische Version verwiesen.
Tja, Pech gehabt, wer mitmischen will, muß halt Englisch beherrschen, hatten wir ja in der Schule, kann also jeder. Noch während die 49. Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen bereits tagte (vom 28. Februar bis zum 11. März 2005), blieb der Newsletter mit seiner Ankündigung stehen, ohne daß sie je realisiert wurde. Dafür gab es am Montag, dem 28. Februar 2005, zeitgleich mit dem Beginn der UNO-Tagung, den Start einer Internetseite zur Gleichstellung unter www.peking-plus-zehn.de durch das Bundesministerium. Auf dieser Seite verweist das BMFSFJ auf die Umsetzungsbilanz der Bundesregierung – und zwar auf die im Newsletter bereits veröffentlichte englischsprachige Variante! Was also tatsächlich in dem umfangreichen Fragebogen berichtet wurde, ist praktisch nicht wirklich nachzulesen. Wir hören oder lesen nur die von der offiziellen Delegation vorgebrachten Interpretationen. So wurden auch von dieser Regierung potentielle Kritiker ausgebremst, die die Verlautbarungen mit der Realität hätten vergleichen können. Bereits nach fünf Jahren war von ihnen festgestellt worden, daß sich vieles sogar noch verschlechtert hat. Und die Restauration der alten Frauenrolle in der BRD hält an. Hinzu kommen die vielen neuen Dienstmädchen. feministAttac schätzt ihre Zahl auf mehr als drei Millionen, in Deutschland meist Migrantinnen aus Osteuropa.
Doch der etwas ignorante Umgang mit den Ergebnissen der letzten Weltfrauenkonferenz reicht faktisch zurück bis zum Zeitpunkt ihres Stattfindens. In den Medien wurde vor allem über Querelen während des Ereignisses berichtet. Die Aktionsplattform hat einen derartigen Umfang, daß man einige Tage braucht, um alles zu studieren. Daraus Wichtiges zu filtern und den Frauen, also den Betroffenen, allgemein zugänglich zu machen, hat niemanden interessiert, auch nicht die ehemals frauenbewegten Grünen. Mit Gender Mainstreaming haben wir ja per se Gleichstellung. »Einbeziehung einer Geschlechterperspektive in alle auf die wirtschaftliche Umstrukturierung und Strukturanpassung gerichteten Politiken und Konzipierung von Programmen für Frauen, die von der wirtschaftlichen Umstrukturierung, namentlich von Strukturanpassungsprogrammen, betroffen sind, sowie für Frauen, die im informellen Sektor tätig sind«. Dieses Zitat stammt jedoch nicht aus dem bundesrepublikanischen Regierungsprogramm, sondern eben aus der Aktionsplattform von 1995. Das Warten auf die Gleichstellungspolitik der Bundesregierung, die zwar so ähnliche Formulierungen seit 1999 bietet, ist wie Warten auf Godot … Selbst virtuell klappt die Frauenpolitik nicht richtig: Am 8. März 2005 war das Geschenk zum Internationalen Frauentag immer noch nicht aktiviert.