Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 25. April 2005, Heft 9

Hakenkreuze bei C&A

von Klaus Hart, Rio de Janeiro

Brasilien: Kleiderständer in Modegeschäften in Hakenkreuzform, Hakenkreuzornamente aus der Nazizeit in Gebäuden, die Familiennamen führender Nazis als amtlich anerkannte Vornamen – auch für die Lula-Regierung bislang alles kein Grund zum Eingreifen.
In Deutschland erregen Hakenkreuzschmierereien von Neonazis immer wieder die Öffentlichkeit und werden auch von den brasilianischen Medien ausführlich kommentiert. Doch im eigenen Hause dominiert in dem sehr konservativ geprägten Tropenland, das im Zweiten Weltkrieg während der letzten zwei Jahre auf der Seite der Alliierten gegen Deutschland kämpfte, eine erstaunliche Toleranz gegenüber Nazisymbolen.
Für hier lebende Juden, viele von ihnen haben Auschwitz überlebt, ist es eine Provokation, daß selbst bei C&A schwarze Kleiderständer im Hakenkreuz-Design stehen. Praktischerweise nennt man diese auch gleich Suastica, Hakenkreuz. So jedenfalls werden sie in den Katalogen der entsprechenden Fabriken oder Vertriebsfirmen angeboten; Kosten pro Stück etwa 28 Euro. Wer sich davon überzeugen möchte, kann die Website www.intershopcasaeloja.com.br anklicken …
Durchschnittsbrasilianer wissen durchaus um die Bedeutung des Hakenkreuzes, wissen von Hitler, der Judenvernichtung – aber Hakenkreuz-Kleiderständer? Warum denn nicht, was soll denn da schon dabei sein? In Geschäften in Deutschland wären diese Suasticas natürlich ein Skandal, ein Medienthema, in Brasilien überhaupt nicht.
Der polnische Jude Aleksander Laks war in Auschwitz, seine Mutter wurde dort vergast, sein Vater erschlagen. Er selbst wurde von KZ-Arzt Josef Mengele selektiert, der seinen Lebensabend geruhsam und ungestört wie viele andere Kriegsverbrecher in Brasilien verbrachte. Laks wanderte nach Brasilien aus, leitet in Rio de Janeiro eine Assoziation der Holocaust-Überlebenden. Wenn er unweit seiner Wohnung bei C&A vorbeikommt und die Hakenkreuze sieht, ist er jedesmal wieder fassungslos.
Laut Gesetz sind Nazisymbole zwar verboten, aber das Justizministerium sieht auf Anfrage keinen Grund, von sich aus etwas zu unternehmen. Auch an den vielen Hakenkreuzfliesen aus der Nazizeit, die einst aus Sympathie für Hitler millionenfach in Gebäuden und sogar am Ziembinski-Theater in Rio verlegt worden waren, stößt sich die Regierung nicht. Ebensowenig an amtlich bestätigten Vornamen wie Hitler, Himmler, Göring, Eichmann.
Aleksander Laks ist enttäuscht, daß auch die jetzige Regierung weder etwas gegen die Nazi-Namen unternimmt noch die Hakenkreuzornamente und Hakenkreuzfliesen entfernen läßt. »Daß so etwas existiert, ist gefährlich, ja besorgniserregend. Es gibt hier Nazis, nazistische Websites, Antisemiten, die den Holocaust leugnen. Aber organisierten Neonazismus, Skinheads wie in Europa und den USA sehe ich hier nicht.«
Aleksander Laks wohnt nur wenige Schritte von der Praca Filinto Müller entfernt. Müller war unter Diktator Getulio Vargas Chef der Geheimpolizei und gelehriger Schüler der Gestapo. Er sorgte für die Auslieferung der Jüdin Olga Benario an Hitlerdeutschland. Nach ihm sind in Brasilien viele Schulen, Plätze und ein Parlamentssaal benannt.