Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 28. März 2005, Heft 7

Herr G. und der Hundeschiß

von Eckhard Mieder

Herr G.s silberfarbener Audi verengt die Straße so, daß sich das Mercedes-Kabrio im Schrittempo zwischen ihm und dem auf der anderen Seite der Straße parkenden Golf hindurchfädeln muß.
Die Frau am Steuer, braun wie meine wildledernen Hausschuhe, lächelt und winkt Herrn G. zu. Zwanzig Meter weiter hält das offene Gefährt. Die Frau steigt aus, einen roten Eimer und einen Lappen in den Händen.
Inzwischen hat mir Herr G. erklärt, daß der Frau am Steuer des Kabrios und des Mannes neben ihr das weißgestrichene Haus da gehöre. Es steht mit der Vorderfront zum Anfang der Einbahnstraße, in der ich wohne. Es habe dem Vater gehört (von ihr? von ihm?). Der sei gestorben, und der Mann, also der Mann der Frau am Steuer, habe das Haus entkernt und völlig umgebaut. Es seien auch Büroräume darin.
Jetzt läuft die Frau auf der anderen Straßenseite vorüber. Sie bleibt kurz stehen und erzählt, daß sie den Dünnschiß ihres Hundes entfernt habe.
Am Morgen sei ihr Mann noch mit dem Hund unterwegs gewesen. Alles normal. Als er dann am Vormittag mit dem Hund losging, zum zweiten Mal ihn ausführend zum kloakischen Geschäft, habe der plötzlich dünn losgeschissen. Das kann man nicht liegenlassen. Aber wie beseitigt man den Dünnschiß eines Hundes?
»Normalerweise kommt das Zeug in eine Tüte«, erläutert die Frau, und weg damit. Aber einen Dünnschiß?
»Wenn da jemand reintritt.«
Herr G. hat vollstes Verständnis. Er besitzt einen Schäferhund. Etwas ähnliches sei ihm auch schon mal passiert. Der Hund wollte nachts raus. Durch die Tür, die Treppe runter in den Garten. Sie, also seine Frau und er, hätten es nicht rechtzeitig bemerkt. Auch habe der Hund schon mal in den Hausflur gekotzt. Sind Fliesen, gottseidank. Dann geht die Frau weiter. Den Lappen weit von sich gestreckt, den Eimer auch.
Habe ich noch etwas vergessen?
Während die Frau den Dünnschiß des Hundes beseitigte, etwa zwanzig Meter von der Stelle entfernt, auf der Herrn G.s silbriger Audi und wir standen, sprachen wir über Einschaltquoten, Wahlumfragen und andere statistische Erhebungen. Die seien allesamt Unfug.
»Fragen Sie mal hier jemanden nach seinem Wahlverhalten«, sagt Herr G., »hier wählen alle, fast alle, schwarz! Dann gehen Sie in ein rotes Viertel, da wählen sie alle rot! Fast alle!«
Ich sage, daß ich keine Ahnung habe. Ich wohne erst seit kurzem in Frankfurt am Main.
»Das Gallus-Viertel ist ein rotes Viertel«, erklärt mir Herr G. »Ist doch klar, daß wir hier zu siebzig Prozent die Schwarzen wählen, während die im Gallus-Viertel zu siebzig Prozent die Roten wählen.«
Na klar ist das klar. Aber ich werde ihm trotzdem nicht sagen, ob ich rot, schwarz, grün oder gar nicht wähle. Eher wähle ich in acht Jahren auch nicht wieder oder nächstes Jahr die Kommunisten?