Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 14. Februar 2005, Heft 4

Weimar

von Paul Levi

Die ausbrechende Revolution hat, mehr als der ausgebrochene Krieg, die deutschen Proletarier getrennt. War ehedem ein Kampf der Meinungen, so ward jetzt vielfach ein Kampf der Waffen. Viele von uns haben geglaubt, daß der zu Ende gegangene Krieg der internationalen Kapitalisten gegen die Arbeiter umschlagen müsse in den Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten; sie haben geglaubt, daß es proletarische Pflicht sei, trauend auf die große internationale Welle der proletarischen Revolution, für die Erreichung der Ziele des Sozialismus vorangehen zu müssen: Sie haben diesem ihrem Glauben ihre Bahn und oft ihr Leben geopfert. Müßig ist, heute zu prüfen, wie das kam. Wir, die wir dieses Glaubens waren, sind in Deutschland unterlegen. Niemand kann sagen, ob, hätten wir hier in Deutschland gesiegt, die internationale Kraft, der Sozialismus, groß genug gewesen wäre, das Schicksal zu wenden, das heute über Deutschland und der Welt lastet, ob es möglich gewesen wäre, auch die Proletarier anderer Länder zu wecken, dem Beispiel nachzufolgen. Nur eins können wir sagen: Auch die, die anderer Meinung waren als wir, haben das Ziel ihrer Hoffnungen nicht erreicht. Die deutsche Republik, geschweige denn die deutsche Demokratie, ist nicht fest gegründet. … Das einzige, was die Revolution den deutschen Arbeitern gebracht hat – die Republik –, ist in Gefahr.

1922

Paul Levi, erster Vorsitzender der KPD, 1921 wegen seiner Kritik am Putschismus der Komintern ausgeschlossen, starb vor 75 Jahren am 9. Februar 1930