Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 28. Februar 2005, Heft 5

Vaterländler

von Günter Krone

Die CDU in Gestalt von Frau Merkel hat eine »Patriotismusdebatte angestoßen«, wie Presseorgane es ausdrücken. Ein solcher Anstoß muß nichts Anstößiges sein. Patriotismus ist schließlich Vaterlandsliebe, die man von jedem verlangen kann, nötigenfalls zwangsweise per Strafandrohung. Dennoch ist das mit der Liebe so eine Sache. Was ist Liebe? Der eine liebt sein Bier, der andere seine Ruhe, mancher seine Briefmarkensammlung.
Ein Mann kann eine Frau lieben oder einen Mann oder beides. Eine Frau kann einen Mann lieben oder eine Frau oder beides. Die Mutter liebt ihr Kind, der Vater liebt es auch und seinen Kegelabend. Der Geile geht in den Puff, wo ihm gegen Bezahlung Liebe gewährt wird, die man auch Prostitution nennen kann.
Vaterlandsliebe ist schließlich auch nur Liebe und unterliegt folglich mannigfaltiger Deutung. Ein Kardinal hält das gegenwärtige Gerede von Frau Merkel für die Erscheinung einer »oberflächlichen modischen Welle« und somit für Gift beim Nachdenken über Grundwerte. Der Bundestagspräsident sieht im Patriotismus grundsätzlich »einen schwierigen Begriff, der leicht falsch verstanden werden« kann, weil seine Deutungen vom positiven Gemeinsinn bis zum negativen Chauvinismus reichen. Eine Ministerpräsidentin unterstreicht, daß Patriotismus ein »richtig schwieriges Thema« ist. Ein Ministerpräsident, der nach eigenem Bekunden gern die Nationalhymne singt, hält nichts davon, »den Patriotismus wie ein Banner vor sich her zu tragen«. Dabei lassen solche Größen die Flagge sowieso von weniger gut bezahlten Bediensteten schleppen.
Im übrigen gilt: Im Unterschied zu allen anderen Sorten von Liebe, die gemeinhin enden, wenn es unangenehm wird, soll Patriotismus immer besonders dann gefühlt werden, wenn Unerfreuliches zu erwarten steht. Die, die ihn anmahnen, sind gemeinhin identisch mit denen, die das Unerfreuliche zuvor getätigt haben.
Sie verwechseln sich selbst mit dem Vaterland, wollen geliebt werden wie selbiges und predigen die Liebe zum ihm. Unter ihnen waren in letzter Zeit einige, die anrüchige Gelder kassiert haben. Die haben sozusagen gegen Bezahlung die Vaterlandsliebe gewährt, die man bei denen auch anders nennen könnte.