Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 20. Dezember 2004, Heft 26

Kurz notiert

von Klaus Hansen

Lust der Empörung: Wenn er auch vieles nicht »fassen« kann, wie er gerne sagt, zum Zusammenfassen reicht es immer noch. Xaver empört sich gern und ausgiebig über die vielen Sauereien, die täglich überall auf der Welt passieren. Er ist immer auf der Suche nach Leuten, die bereit sind ihm zuzuhören und sich zusammen mit ihm zu empören. Xaver weiß: Erst die geteilte Empörung sichert den Fortbestand.
Ver-rückte Maßstäbe: »Dem Kind ist also über die Vernichtung seines Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden.« Das Gericht hält dem Kindsmörder zugute, daß er das kleine Mädchen nicht vergewaltigt hat, bevor er es tötete. Fast ein anständiger Kerl also!
Es gibt noch Hoffnung: Ein Lebenszeichen des gesunden Menschenverstandes wird aus Sachsen-Anhalt gemeldet. In der Turnhalle der Alexander-Kluge-Realschule in Halberstadt fand der Wahlkampfauftritt eines ranghohen Landespolitikers statt. Der Mann wagte die »erfreulich optimistische Prognose«, wie er arglos betonte, »dass es keinem hier im Raum in Zukunft schlechter gehen wird als früher«. Daraufhin bildete sich ohne erkennbare Anführerschaft eine energiegeladene Spontanmasse, die den Politiker rückwärts durch die Schwingtür beförderte, wo er sich im keineswegs idyllischen Freien wiederfand.
Arzt im Einsatz: Der Arztberuf hatte in seiner Familie Tradition. Thilo setzte die Tradition fort. Nicht, weil er Vater und Großvater nacheifern wollte. Thilos Vorbild war der Arzt und Revolutionär Dr. Ernesto Guevara. Daß er sich auf die Schönheitschirurgie spezialisierte und jenseits der Grenze niederließ, war das Ergebnis strategischer Überlegungen. Thilo entwickelte die sozialrevolutionäre Medizin weiter, indem er den ärztlichen Kunstfehler zu einer politischen Waffe im Klassenkampf machte. Über seine Erfolge weiß man verständlicherweise wenig. Die Dunkelziffer ist seine beste Verbündete. Das Schicksal des Chefredakteurs der BILD-Zeitung jedoch ist durch eine Indiskretion allgemein bekannt geworden. Sehr zum Ärger des Meinungsmachers, der anschließend alles dementierten ließ. Der Mann war zu einer operativen Penis-Verlängerung in die Privatklinik gekommen. Entmannt kehrte er nach Hamburg zurück. Für Thilo ein perfekter Kunstfehler am prädestinierten Objekt.
Quizshow: Die Frage lautet: Was ist ein Ordinarius? »Wenn mich mein Sprachgefühl nicht völlig im Stich läßt«, antwortet Kandidat A, »handelt es sich um einen Menschen, der durch schlechtes Benehmen auffällt.« Kandidat B weiß es anders. »Ich bin mir sicher, daß man mit Ordinarius einen Einwohner der Hauptstadt Litauens bezeichnet, die Endsilbe -us weist darauf hin.« Da nur einer gewinnen kann, wird jetzt das Saalpublikum zu Rate gezogen. Mit knapper Mehrheit entscheidet es sich für die Antwort des Kandidaten A.
Friendly fire: Der Reklamespruch, mit dem die Schießsportschule Sepp Struck wirbt, verspricht, auf unverdächtige Weise das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Hält sie, was sie verspricht, wird man sich um die Zukunft der Schießsportschule Sepp Struck keine Sorgen zu machen brauchen. Der Werbespruch lautet: »Schießen und Freunde treffen«.
Behindertengerecht Wer einige Zeit in der Stadt lebte, kannte ihn. Ein Mann mittleren Alters, immer gut gekleidet, der scheinbar ziellos durch die Straßen lief und vor sich hin redete, nicht laut, nicht leise, aber deutlich vernehmbar. Seit kurzem besitzt der Sonderling ein Handy. Wenn er jetzt durch die Straßen geht und palavert, hat er das Gerät ständig am Ohr. Die ihn nicht kennen, halten ihn für einen tüchtigen Mann, dem kaum eine freie Minute vergönnt ist.