Des Blättchens 6. Jahrgang (VI), Berlin, 9. Juni 2003, Heft 12

Nieder mit den polnischen Okkupanten!

von Agnieszka Wolk Laniewska / Mateusz Zgryzota, Warschau

Polen wird treffsicher der trojanische Esel Amerikas in Europa genannt. Unsere bedauernswerten Großmachtambitionen lösen bei den Nachbarn, bei Deutschland, Rußland und auch Frankreich Irritationen aus. Nur durch eine belustigte Nachsicht werden sie gemildert. Die polnische öffentliche Meinung indes behandelt die Kompromittierung der eigenen Regierung mit Gleichgültigkeit. Die Regierung führt das Land zwar in ein vereinigtes Europa, stellt ihm aber auf dem Weg dorthin ein Bein. Der einzige, der schüchtern seine Stimme zum Protest erhob, war Tadeusz Mazowiecki. (Danach ging noch Jacek Kuron in der Zeitschrift Przekrój mit der Regierung heftig ins Gericht. G.K.)
Erstmals seit dem zweiten polnischen Überfall auf die Tschechoslowakei im Jahre 1968 (das erste Mal mit Hitler 1939, das zweite Mal mit Breshnew) wurde die nun souveräne Regierung Polens als Aggressor und danach als Okkupant zum internationalen Kriminellen. Das ist die juristische Folge der politischen Servilität der polnischen Regierung gegenüber der Regierung der USA, die bemüht ist, sich die ganze Welt mit militärischen Mitteln unterzuordnen.
Bereits Polens Teilnahme am Krieg gegen den Irak stand im Widerspruch zu unseren Verpflichtungen als UNO-Mitglied und Unterzeichner internationaler Vereinbarungen. »Jeder Staat ist verpflichtet, sich in seinen internationalen Beziehungen der Drohung und Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines jeden Staates zu enthalten«, fordert die Erklärung der Prinzipien des internationalen Rechts, angenommen von der UNO-Vollversammlung am 24. Oktober 1970. Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, auf den sich die USA berufen, erlaubt keinen Präventivkrieg. Der Sicherheitsrat verurteilte 1981 zum Beispiel ohne Gegenstimme den israelischen Bombenangriff auf den irakischen Kernreaktor in Tuweith (Tamuz I). Israels damaliger Versuch, sich auf eine präventive Selbstverteidigung zu berufen, wurde abgewiesen, weil sie nicht durch das internationale Recht gedeckt war.
Die schon erwähnte Deklaration der Prinzipien des internationalen Rechts besagt, daß ein Krieg, der eine Aggression darstellt, als ein Verbrechen gegen den Frieden zu verfolgen ist. Und – Pech gehabt, meine Herren Machthaber –: Die Teilnahme an einer Aggression kann als Verbrechen bewertet werden. Und zwar nicht nur im internationalen Recht: Der Artikel 117 des polnischen Strafgesetzbuches sieht für die Vorbereitung oder den Beginn und die Führung eines Angriffskrieges eine lebenslängliche Haftstrafe vor.
Die jetzt beschlossene Mit-Okkupation des Iraks durch Polen – heuchlerisch Stabilisierungsaktion genannt – ist ebenfalls ungesetzlich. Die Haager Konvention vom 18. Oktober 1907, deren Mitautor die Vereinigten Staaten sind und die seit 1927 auch von Polen anerkannt ist, legt fest: »Ein Territorium gilt als besetzt, wenn es sich faktisch unter der Herrschaft der feindlichen Armee befindet.« Alles Gerede über Hilfe bei der Stabilisierung ist nichts weiter als eine Duftwolke über unsere Rolle als Okkupant.
Die Haager Konvention verbietet weiterhin, sich in die inneren Kämpfe eines anderen Staates einzumischen (Art. 43). Sie gestattet zum Beispiel nicht, in irgendeiner Weise Loyalität gegenüber dem Okkupanten zu erzwingen (Art. 44, 45) und – was daraus folgt – eine Marionettenregierung zu schaffen. Die Genfer Konventionen von 1949 erschweren das zusätzlich. Über die Art und Weise der Okkupation sollen Treuhandmächte wachen, die von neutralen Staaten berufen sind und durch »verantwortliche Delegierte« tätig werden (Art. 8 der Konvention über die Verwundeten und Kranken, der auf alle anderen Genfer Konventionen angewandt wird).
Am 28. April, bereits nach der Beendigung der Kampfhandlungen, eröffneten die Amerikaner in Faludscha, einer von Schiiten dominierten Stadt, das Feuer auf hunderte Gläubige. Die hatten es nach dem Abendgebet riskiert, gegen die Übernahme einer Schule und den Hinauswurf von Schülern und Lehrern durch die Stabilisierungskräfte, sprich die US-Army, zu protestieren. Dabei wurden dreizehn Menschen erschossen. Drei Tage später, während einer Protestdemonstration gegen dieses Vorgehen, erschossen die Amerikaner die nächsten drei Iraker. Das Schießen auf unbewaffnete Zivilisten gehört nicht zu den vom internationalen Recht erlaubten Handlungen. Auch das Statut des ständigen Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, der am 1. Juli 2002 seine Tätigkeit aufnahm, definiert es als Verbrechen gegen die Menschheit. Polens Führer, die eine Okkupation fremden Territoriums unternehmen, bringen unsere Streitkräfte in die Lage, sich ähnlicher Verbrechen schuldig zu machen.
Die polnischen Einheiten werden auch die Verantwortung für Räubereien zu tragen haben. Im Einklang mit der Konvention zum Schutz von Kulturgütern im Falle eines bewaffneten Konflikts vom 14. Mai 1954 sind die Seiten verpflichtet, »alle Akte von Diebstahl, Raub oder unrechtmäßiger Aneignung von Kulturgütern, alle Akte des Vandalismus zu verbieten, solchen Akten vorzubeugen und sie erforderlichenfalls zu unterbinden«. Indes haben die Mitarbeiter des Nationalmuseums in Bagdad ausgesagt, daß die Ausplünderung der Museumsobjekte von den US-Streitkräften inspiriert wurde, ein amerikanischer Panzer zerstörte durch einen Schuß das Tor des Museums, und anschließend luden die Soldaten die Bevölkerung ein, den so geschaffenen Zugang zu nutzen.
Ähnlich war es in der Universität Bagdad. »Ich habe gehört, was sich in den Museen, Bibliotheken, Krankenhäusern und Verwaltungen ereignete, aber ich kann sagen, daß ich mit eigenen Augen gesehen habe, daß die US-Streitkräfte die Leute zur Plünderung und Brandschatzung der Technischen Universität in Bagdad geradezu aufgefordert haben«, sagte Professor Chaker Aziz, Mitarbeiter dieser Universität. Damit wird auch die polnische Polizei zu tun haben, wenn sie sich in das Chaos des fremden, zerschlagenen, okkupierten Staates einschaltet.
Und jetzt das Schlimmste: Polen nämlich hat, verehrter Herr Präsident, teurer Herr Ministerpräsident, liebe Herren Minister, hervorragender Herr Wirtschaftsprofessor Belka, – im Unterschied zu den USA – den Vertrag über die Gründung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag ratifiziert. Und das bedeutet, sofern bereits der Überfall auf den Irak als Kriegsverbrechen gegen den Frieden anerkannt würde, daß Polen verpflichtet wäre, Sie, meine Herren, diesem Tribunal auszuliefern, sofern von diesem beantragt. Die USA können nur kraft ihrer Stärke und Arroganz ihre Bürger vor dieser Verantwortlichkeit schützen. Henry Kissinger vermeidet bis heute jeden Ausflug nach Europa, weil hier ein spanischer Richter auf ihn lauert, der seine Auslieferung fordert. Das gleiche kann polnischen Politikern passieren, die sich heute und künftig in den Einzugsbereich dieses Tribunals begeben und die von keiner Supermacht geschützt werden.
Die Entsendung polnischer Truppen in den Irak und die Beteiligung unserer Vertreter bei der Verwaltung dieses Landes werde unseren Firmen helfen, Aufträge beim Wiederaufbau des Iraks zu erlangen, sagte mit großer Ehrlichkeit Marek Siwiec. Nehmen wir uns ein Beispiel an Minister Siwiec und sagen wir gleichfalls ehrlich: Den Wiederaufbau des Iraks wird mehr oder weniger der Irak selbst bezahlen – mit dem Erdöl, genauer gesagt, durch die Übernahme der Kontrolle der irakischen Erdölquellen durch die USA. Daran Geld zu verdienen ist nichts anderes als Kumpanei beim Verteilen der Kriegsbeute. Und einen derartigen Beutecharakter wird auch der eventuelle wirtschaftliche Nutzen für Polen aus der Okkupation Iraks haben.
Wir schreiben dies alles, um unseren Protest gegen die Teilnahme Polens an der Okkupation Iraks auszudrücken, der uns niemals bedroht hat, und auch – wie sich gezeigt hat – unsere Verbündeten nicht. Wir wollen der Praxis der antieuropäischen Politik widersprechen, die die vorgeblich proeuropäische Regierung Polens durchführt. Vor allem aber schreiben wir dies, damit unsere Leser nicht sagen können, sie hätten nicht gewußt, in welchen stinkenden Sumpf ihr Land gestoßen wird, damit sie nicht behaupten können, niemand hätte vor den Folgen der Übernahme der Rolle eines amerikanischen Söldners durch Polen Alarm geschlagen, denn alle politischen Kräfte und alle Kommentatoren versichern uns ja, der Proamerikanismus sei weise und gewinnbringend.

Mit freundlicher Genehmigung der von Jerzy Urban geleiteten Wochenzeitung NIE, Nr. 20/2003; unwesentlich gekürzt (aus dem Polnischen von Gerd Kaiser)