Die Herren machen das selber,
dass ihnen der arme Mann feind wird.
Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun.
Wie kann es die Länge gut werden?
So ich das sage, muss ich aufrührerisch sein.
Thomas Müntzer, Hochverursachte Schutzrede, 1524
Die erfolgreiche Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg“ in den Mühlhäuser Museen präsentierte sich als ein ebenso umfangreiches wie sorgfältig kuratiertes Ereignis, das die dramatischen Geschehnisse des Bauernkriegs aus der Perspektive seiner Akteure und Gegner beleuchtete. Die Ausstellungsteile in Mühlhausen dauerten von Ende April bis zum 19. Oktober 2025, der in Bad Frankenhausen lediglich von Mai bis August. Orte in Mühlhausen waren das Bauernkriegsmuseum in der ehemaligen Kornmarktkirche, die Müntzergedenkstätte in der Marienkirche und das Kulturhistorische Museum am Lindenbühl.
Ein 232 Seiten umfassendes und broschiertes Begleitheft bot eine kompakte, dennoch reich bebilderte Einführung in die Ausstellung. Es eignete sich hervorragend für Besucher, die die Exponate im Museum mit einem gut strukturierten Überblick begleiten wollten. Kurze, prägnante Texte und ein klarer Aufbau erleichterten den Zugang und machten die komplexen historischen Inhalte verständlich.
Doch hier soll mehr auf den aufwendig gestalteten und gewichtigen Katalog eingegangen werden. Leider war er erst Ende September erhältlich. Das ist sehr ärgerlich, da die Ausstellung zu dem Zeitpunkt nach über fünf Monaten langsam ausklang. Ursprünglich angekündigt war er für einen deutlich früheren Zeitpunkt. Ein bedauerliches Schicksal, das der Katalog mit manch anderen Ausstellungskatalogen teilen muss.
Mehr als 3,2 Kilogramm bringt er auf die Waage, auch das Format von 24 mal 30 Zentimetern zeigt Größe, die Qualität der zirka 350 Farbabbildungen, der grafischen Gestaltung und des Drucks sind tatsächlich beeindruckend. Der Preis von knapp 50 Euro erscheint – so gesehen – angemessen. Wer ein schönes Geschenk mit Erkenntnisgewinn sucht …
Das Buch hat den Anspruch, historische Forschung und anschauliche Vermittlung miteinander zu verbinden. Der 528 Seiten starke Hauptkatalog, erschienen im Michael Imhof Verlag, beeindruckt durch seine Materialfülle und die interdisziplinäre Herangehensweise. Mehr als 70 Historiker, Theologen, Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler richten ihren Blick auf die sozialen, politischen und religiösen Dimensionen des Aufstands.
Hochwertige Abbildungen von Originaldokumenten, Kunstwerken und archäologischen Objekten unterstützen die wissenschaftlichen Beiträge und machen die Lektüre auch visuell ansprechend. Besonders hervorzuheben ist, wie die Herausgeber die Spannbreite zwischen dem frühneuzeitlichen Streben nach „fryhyt“ und dem modernen Freiheitsbegriff reflektieren.
Der erste Ausstellungs- wie Katalogteil zeigt die ländliche Gesellschaft um 1525, das bäuerliche Leben im Jahresverlauf in Haus, Hof und Dorf, die dörfliche Kirche bis hin zu den Bauern unter Waffen (vor dem Bauernkrieg). Den Bauern ging es um „fryhyt“ im „Sinne einer Veränderung der als belastend empfundenen Miserabilität ihrer ökonomischen, sozialen und rechtlichen Existenz“, schreibt Thomas Kaufmann, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Landesausstellung in seinem Vorwort.Der zweite Teil wendet sich dem eigentlichen Bauernkrieg als größten Massenaufstand in der deutschen Geschichte vor der französischen Revolution zu. Insbesondere die Aufstände im Südwesten und in Mitteldeutschland werden überzeugend in vielen Details dargestellt.
Der umfangreichere dritte Teil beleuchtet die umkämpfte Nachgeschichte des Bauernkrieges bis in die jüngere Vergangenheit und endet 1989 in Ost und West. Der Bauernkrieg als deutscher Erinnerungsort war nie vergessen, wenn auch mit sehr unterschiedlicher Intensität durch die Zeiten und Räume begleitet.
Für mich am interessantesten sind das Wahrnehmen und Erinnern im Nationalsozialismus, etwa die Florian-Geyer-Freiheitsspiele, und die Entwicklung der Rezeption im Osten Deutschlands nach 1945, aber auch die vielfältigen künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Bauernkrieg in allen Zeiten. Überraschend ist die Darstellung mancher Dokumente, zum Beispiel die vom sächsischen Volksbildungsminister, Helmut Holtzhauer 1950 initiierte Schenkung eines Aktenbandes aus dem Sächsischen Landeshauptarchiv in Dresden mit äußerst seltenen Originalbriefen Thomas Müntzers anlässlich des 70. Geburtstages an Generalissimus Stalin. Oder die Studie Albrecht Dürers für ein (satirisches) „Siegesdenkmal“, das erst 2025 vor der Kornmarktkirche vom Künstler Timm Kregel als sieben Meter hohe Bronzestele mit Spendengeldern gelungen realisiert wurde.
Die Ausstellungen in Mühlhausen selbst überzeugten durch eine abwechslungsreiche Szenografie, die historische Originale, interaktive Stationen und multimediale Installationen kombinierte. Zentral war die Präsentation Mühlhausens, dem „Erzketzernest“ (Landgraf Philipp von Hessen), als einer der Brennpunkte des Bauernkriegs, wobei sowohl die städtischen als auch die ländlichen Perspektiven berücksichtigt werden. Besucher erhielten Einblicke in die Lebenswelt der Aufständischen, die reformatorischen Ideen, die den Konflikt befeuerten, und die drastischen Konsequenzen der Niederlage.
Für die Zukunft gedacht, verdiente der Mühlhäuser Thomas-Müntzer-Tag von 1925 durchaus eine vergleichende Betrachtung mit den Mühlhäuser Jubiläumsfeierlichkeiten einhundert Jahre später. Diese chargierten zwischen der populärwissenschaftlichen Landesausstellung und der Sonderedition der bekannten Marmeladen- und Musmarke „Mühlhäuser“, die ein „Freiheitsmus“ (Pflaumenmus mit Quitte) zum doppelten des üblichen Preises vertrieb. Das Jubiläum endete schließlich in der Stadt mit einem offiziellen „Freiheitsleuchten“, die bekannten historischen Orte wurden durch eine Lichtinstallation angestrahlt. Waren es 1925 erst der Rote Frontkämpferbund (KPD) und zwei Monate später das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (SPD, DDP und Zentrum), die das Gedenken bestimmten, wurde die Landesausstellung 2025 durch die Landesregierung getragen.
50 Jahre dazwischen im Rahmen des großen staatlichen Bauernkriegsjubiläums in der DDR 1975 stand beim großen Festumzug in Mühlhausen ein Motto prominent auf der Tribüne, „Wir sind die Sieger der Geschichte“, das beim 1989er Gedenken an Thomas Müntzers vermuteten 500. Geburtstag in den turbulenten Wochen der Wende schnell verflog.
Insgesamt bilden Katalog, Begleitheft und Ausstellung ein stimmiges Gesamtpaket, das sowohl Fachpublikum als auch interessierte Laien anspricht beziehungsweise ansprach. Die tiefe historische Einordnung gepaart mit einer lebendigen Darstellung machte „freiheyt 1525“ zu einem exemplarischen Ausstellungsprojekt im Jubiläumsjahr des Bauernkriegs.
freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg. Katalog zur Thüringer Landesausstellung in den Mühlhäuser Museen. Hrsg. von Nora Hilgert, Thomas Kaufmann, Susanne Kimmig-Völkner und Julia Mandry, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2025, 528 Seiten, 49,95 Euro.
freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg. Begleitheft zur Thüringer Landesausstellung in den Mühlhäuser Museen. Hrsg. von Nora Hilgert und Susanne Kimmig-Völkner, Zweckverband Mühlhäuser Museen, Mühlhausen/Thüringen 2025, 232 Seiten, 14,95 Euro.