Erich Vad, Ex-General und früherer sicherheitspolitischer Berater der Bundeskanzlerin – Sie warten ja mit ziemlich steilen Thesen auf. In Sachen Ukraine-Krieg: „Es ist besonders in Deutschlands vitalem Interesse, diesen Krieg sobald wie möglich mit zu beenden. Weil wir bei einem europäischen Krieg das Schlachtfeld werden.“ Damit korrespondiert: „Das Beschießen Russlands mit dem Taurus oder mit vergleichbaren Raketensystemen löst nicht die militärische Lage, sondern verschärft die Lage für Deutschland und Europa potenziell noch.“ Sie Ihrerseits fragen: „Ist es sicherheitspolitisch sinnvoll, uns die permanente Konfrontation mit Russland ins eigene europäische Haus zu holen? Wäre da nicht eine Art privilegierte Partnerschaft für alle besser?“ Und auch vom Mantra der westlichen Bedrohungspropheten, schon ab 2029 könnte Russland NATO-Gebiet direkt angreifen, halten Sie offenkundig nichts: „Das ist weit hergeholt, weil die militärischen Kräfteverhältnisse das zum jetzigen Zeitpunkt und auch absehbar nicht zulassen. Wenn man sieht, dass die Russen dreieinhalb Jahre brauchten, um den kleinen Donbass zu besetzen, bräuchten sie wahrscheinlich 30 Jahre, um am Atlantik zu stehen.“
Da sind wir völlig d’accord mit Ihnen.
Andere Frage: Erinnern Sie sich noch an die „Generale für Frieden und Abrüstung“? Jene Gruppe von zunächst westlichen ehemaligen Militärs, die zum Teil in höchsten NATO-Positionen gedient hatten und sich im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges sowie im Rahmen der internationalen Friedensbewegung öffentlich – vor allem durch persönliche Auftritte und Publikationen – mit Nachdruck gegen Konfrontation und Hochrüstung engagierten. Später kamen auch Ex-Militärs aus Warschauer Vertragsstaaten dazu.
Schreit die Lage in Europa und anderen Regionen nicht förmlich danach, eine solche Idee wiederzubeleben?
STERN, Mainstreammedium – Zum Ergebnis der Kommunalwahlen in NRW – die AfD verdreifachte ihr Ergebnis – kommentierten Sie unter anderem: „Den Osten gibt‘s jetzt auch im Westen. Was heißt das? Die AfD ist kein Phänomen mehr, das sich einfach mit dem Frust von Wendeverlierern, mit Demokratiedefiziten von Diktaturgeprägten und der Autoritätsgläubigkeit von Russenfreunden erklären lässt. Die Rechtspopulisten sind ein gesamtdeutsches Phänomen, nicht nur im Bundestag und in den Länderparlamenten, sondern in der Fläche. Die AfD geht uns alle an.“
Wow.
Ein Westmedium auf dem Weg zum klaren Durchblick? Ohne ideologische Scheuklappen?
Zu wünschen wär’s ja. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer …
Jan Fleischhauer – SvD* beim Focus – Robert Habeck, schreiben Sie, schmerze es, „dass Deutschland das großherzige Angebot einer grünen Kanzlerschaft abgelehnt hat“. Über Habecks Abschiedsinterview mit der taz, in dem „er noch einmal den Gegnern einen mitgeben musste“ („fetischhafte[s] Wurstgefresse“ – Markus Söder, „eine Fehlbesetzung“ – Julia Klöckner) hätten sich viele „mokiert“. Anders Sie: „Ich fand eher bemerkenswert, wie es den Interviewern gelang, ernst zu bleiben, während Habeck über die Aussicht dozierte, ‚ins Offene‘ zu treten, auch wenn er nicht wisse, wohin ihn ‚der Weg durchs Offene‘ führen werde: ‚Ich gehe jetzt komplett ins Offene und lasse die Leinen los.‘ Ich fürchte, ich hätte bei dieser Mischung aus Poesiealbum, Dorothee Sölle und Waldorfschule aus dem Lachen nicht mehr herausgefunden.“
Uns erging es vergleichbar.
Nachdem wir nun allerdings wieder zu Atem gekommen sind, gestatten wir uns doch den Hinweis: Eigentlich tritt man nicht nach, wenn einer schon am Boden liegt. Auch nicht, wenn der Betreffende offenbar zerebral nicht dafür konditioniert ist zu realisieren, wem zu allererst er seine missliche Lage zu verdanken hat …
* – Schandmaul vom Dienst
Rainer Mausfeld, emeritierter Professor für Allgemeine Psychologie – In Ihrem bereits 2023 erschienenen Buch „Hybris und Nemesis. Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt“ haben Sie die „repräsentative Demokratie“ westlichen Zuschnitts als Wahloligarchie charakterisiert, die das Privateigentum heiligspricht und die „Funktionslogik des Kapitalismus“ nicht antastet. Ihnen zufolge diente dieses Konzept „von Anfang an der Demokratieabwehr […], um eine Oligarchie über Wahlen an der Macht zu halten“. Das wird nicht zuletzt dadurch sichergestellt, dass die Bevölkerung bei der Zusammenstellung der Kandidatenlisten für Wahlen kein Mitspracherecht hat.
Oder anders formuliert: „Die demokratische Republik ist die denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus, und daher begründet das Kapital, nachdem es von dieser besten Hülle Besitz ergriffen hat, seine Macht derart zuverlässig, derart sicher, daß kein Wechsel, weder der Personen noch der Institutionen noch der Parteien der bürgerlich-demokratischen Republik, diese Macht erschüttern kann.“ (Lenin)
Sie wiederum haben zusammengefasst: Der Begriff Demokratie sei der „größte[…] Wortbetrug der Geschichte“.
Vergleichbare Befunde wurden in diesem Magazin auch schon ausgebreitet – siehe zum Beispiel Blättchen 19/2010 [1].
Was aber wäre eine weniger scheußliche Alternative?
Durchgängig direkte Demokratie? Plebiszite first?
Allenfalls cum grano salis, denn auf die Wiedereinführung der Todesstrafe etwa würden wir eigentlich gern verzichten …
Andrea Camillieri, sizilianischer Schriftsteller mit internationaler Fangemeinde – Ihre literarischen Vorlieben teilten Sie auf sehr subtile Weise mit. Die für den Literaturnobelpreisträger William Faulkner, indem Sie Ihrem nur mit Maigret, Wallander, van Veteren und ähnlich prägenden Krimi-Protagonisten vergleichbaren Commissario Montalbano, der in insgesamt 34 Büchern (Romanen und Erzählungsbänden) ermittelt, immer mal wieder Faulkner-Werke in die Hand legten; „Wendemarke“ liest der Commissario irgendwann bereits „zum fünftenmal“. Oder jene zum Literaturnobelpreisträger Luige Pirandello, der seine sizilianische Geburtsstadt Agrigento (siehe auch Blättchen 12/2025 [2]) gelegentlich hinter dem Ortsnamen „Montelusa“ camouflierte, indem Sie Ihre Montalbano-Geschichten in einer fiktiven Stadt und Provinz gleichen Namens ansiedelten. Und dann natürlich der Name Ihres Commissarios selbst – da stand Ihr spanischer Kollege Manuel Vázquez Montalbán Pate.
Schriftstellerisch gewidmet haben Sie sich in Ihrer langen kreativen Laufbahn auch vielen anderen Sujets. Christiane Pöhlmann meinte dieser Tage in der FAZ gar, Sie seien Ihrem Commissario nur in „in überdrüssig-anhänglicher Liebe verbunden gewesen“, hätten Ihre Meriten aber im Übrigen woanders gesehen, und führte folgendes Zitat von Ihnen an: „,König Zosimo‘ [Klappentext: „Dieser vergnügliche Roman erzählt die Geschichte des Bauern Zosimo, der im Jahr 1718 in Sizilien zum König gekrönt wird.“ – die Redaktion] erscheint mir als das Höchstmaß dessen, was ich literarisch zu geben imstande bin.“
Wir wollen Ihnen da gar nicht widersprechen, zumal Ihre Auffassung unserer Liebe zu Ihrem Commissario keinerlei Abbruch tut.
Am 6. September hat sich Ihr Geburtstag zum 100. Male gejährt. Wir haben Ihrer ehrend gedacht.
Robert Redford, US-Film-Ikone – Auch in der DDR waren Sie eine Kassenmagnet, was sich dem Umstand zu verdankte, dass Ihre Regisseure und deren Filme nicht selten eine auch aus Sicht der ideologischen Reinheitswächter der kleinen Republik hinreichend gesellschaftskritische Botschaft transportierten, um zugelassen zu werden – „Ein Mann wird gejagt“ (1966), „Blutige Spur“ (1969), „Die drei Tage des Condor“ (1975), „Die Unbestechlichen“ (1976) und „Der elektrische Reiter“(1979) füllten die Kinosäle zwischen Kap Arkona und Suhl. Selbst manch unpolitischer, doch kein Auge trocken lassender („Der Clou“, 1973; Ihre einzige Oscar-Nominierung als Bester Hauptdarsteller) oder zu Herzen gehender („Jenseits von Afrika“, 1985) Streifen durfte die Landesgrenzen passieren. Andere Glanzstücke Ihrer Filmographie hingegen nicht – wie „Zwei Banditen“ (1969) oder „Jeremiah Johnson“ (1972). Auch die hinreißende „Reifeprüfung“ (1967) lief nicht in der DDR, aber da hatten Sie die Hauptrolle des Benjamin Braddock ja auch abgelehnt – mit der Begründung: „Ich habe nie ausgesehen wie ein 21-jähriger College-Abgänger, der noch nie Sex hatte.“ (Wunderbar, denn dadurch wurde noch ein Youngster zum Star – Dustin Hoffmann). – Erfolgreich waren Sie in späteren Jahren auch als Filmproduzent und als Regisseur (1981 vier Oscars für „Eine ganz normale Familie“, darunter als Bester Film und für die Beste Regie). Der Ehren-Oscar für Ihr Lebenswerk 2002 war mehr als berechtigt.
Sie engagierten sich nicht zuletzt politisch. Dem US-Präsidenten Donald Trump warfen Sie bereits in dessen erster Amtszeit einen „Diktator-ähnlichen“ Angriff auf die amerikanischen Werte vor. 2019 schrieben Sie in einem Beitrag beim US-Sender NBC News: „Wir befinden uns in einer Krise, die ich zu meinen Lebzeiten nie erwartet hätte.“ Trump bedrohe Werte wie Pressefreiheit, Respekt vor der Wahrheit und das Rechtsstaatsprinzip.
Ihr eigenes Lebensfazit hatten Sie bereits 2013 so formuliert: „Ich würde alles wieder so machen, auch die Fehler, die gehören dazu, das ist Teil des Lebensprozesses.“
Jetzt sind Sie, 89-jährig, verstorben. Uns werden Sie unvergessen bleiben.