… das sind 15 Jahre Arbeit aller Mitarbeiter gewesen, das Versprechen von 1946 einzulösen. Ich wandte mich im ersten Heft der wiedererstandenen Weltbühne an die alten Freunde meines Mannes, mir zu helfen, Ossietzkys Kampf fortzusetzen; ich forderte die Jugend auf, Ossietzkys Vermächtnis zu erfüllen: dem Frieden dienen, das heißt, das Wort als Waffe benutzen gegen jene Kräfte, deren Wirken für Deutschland immer verhängnisvoll war.
Ich betonte 1946, daß die Wiederherausgabe der Weltbühne ein Versuch sein soll, das Lebenswerk meines Mannes fortzusetzen. Heute kann ich sagen, daß Redakteure und Mitarbeiter konsequent und folgerichtig den Weg weitergegangen sind, den Ossietzky 1933 mit seinem Bekenntnis zur „geeinten antifaschistischen Bewegung“ als den einzig richtigen Weg erkannt hat. Ich danke Hans Leonard und allen Autoren, daß sie das Lebenswerk meines Mannes fortgeführt haben.
Immer wieder wird von bürgerlichen Kreisen in Westdeutschland versucht, der heutigen Weltbühne das Recht abzusprechen, das Vermächtnis Ossietzkys zu erfüllen. Ich bin sicher, daß er – lebte er noch heute – die politischen Fähigkeiten des deutschen Bürgertums, wie sie sich nun wieder in der Bonner Republik manifestierten, nicht anders einschätzen würde als in seinem Artikel „Wintermärchen“ vom 3. Januar 1933:
„Niemals ist das deutsche Bürgertum in einem Säkulum so ehrlich gegen sich gewesen wie in diesen paar Jahren nationalsozialistischen Wachstums. Da gab es nicht mehr intellektuellen Aufputz, nicht mehr geistige Ansprüche, nicht mehr die akademische Fassade reicherer Jahrzehnte. Der ökonomische Zusammenbruch hat die innere Roheit, die plumpe Geistfeindlichkeit, die harte Machtgier bürgerlicher Schichten – Eigenschaften, die sich sonst halb anonym hielten oder in private Sphäre ableiteten – offen bloßgelegt. Nur einmal haben nationalistischer Blutrausch und politische Hilflosigkeit so bedenkenlos Hochzeit gefeiert, und das war zu Kriegsbeginn. Insofern ist die Nationalsozialistische Partei der in Permanenz erklärte 4. August (1914). Sie trägt am deutlichsten die Illusionen dieses traurigsten Datums der deutschen Geschichte in eine veränderte Zeit.
Der große völkische Führer […] mag seine Saison haben und mit dieser abblühen. Was er an bösen und häßlichen Instinkten hervorgerufen hat, wird nicht so leicht verwehen und für lange Jahre noch das gesamte öffentliche Leben in Deutschland verpesten. Neue politische und soziale Systeme werden kommen, aber die Folgen Hitlers werden aufstehen, und spätere Generationen noch werden zu jenem Gürtelkampf antreten müssen, zu dem die deutsche Republik zu feige war.“
Zu diesem Gürtelkampf ist auch die heutige Weltbühne mitangetreten und wird diesen Kampf gegen Faschisten und Militaristen so lange fortsetzen, bis die Menschlichkeit gesiegt hat.