Klaus Michael Kühne ist nach Angaben des Magazins Forbes für 2024 der reichste Mann Deutschlands. Er schenkt Hamburg nach Medienberichten ein neues Opernhaus. Gott – muss der reich sein! Und wie spendabel! Nebenbei ist er noch der wichtigste Sponsor des HSV. Solche großherzigen Menschen brauchen wir. Soll man die mehr besteuern? Ist das gerecht?
Bei der Diskussion über Reichtum habe selbst ich als Mathematiker manchmal Probleme, die Dimensionen zu erklären. Versuchen wir es einmal: Wieviel Reichtum ist gerecht?
Ein Facharbeiter verdient im Jahr netto etwa 27.000 Euro. Der Bundeskanzler verdient netto (ohne seine vielen Nebeneinkünfte) etwa 150.000 Euro. Das ist fast das Sechsfache. Arbeitet er so viel? Ist das gerecht? Die meisten Menschen finden: Ja! Das ist ok.
Aber Michael Blume, der VW-Vorsitzende und zugleich der bestbezahlte Manager Deutschlands, verdient 5,4 Mio. Euro netto. Das ist 36-mal so viel wie der Bundeskanzler (in Worten sechsunddreißig!) und über zweihundertmal so viel wie ein Facharbeiter. Kann man so viel überhaupt ausgeben? Ist das gerecht? Macht das glücklicher? Da trennen sich die Meinungen.
Und Herr Kühne? Der reichste Mann Deutschlands? Der verdient netto 3,3 Milliarden Euro. Diese Zahl sagt niemandem mehr etwas. Das sind über sechshundertmal so viel wie der superreiche VW-Vorsitzende Blume oder so viel wie 20.000 Bundeskanzler!
Um das anschaulich zu machen: Nehmen wir an, das Nettoeinkommen eines Facharbeiters entspräche sieben Zentimeter – also der Größe eines Hühnereis. Dann entspräche das Einkommen des Bundeskanzlers 42 Zentimeter, also der Größe eines Blumentopfes mit einer Blume drin. Das Einkommen von Herrn Blume entspräche bereits dem großen Fenster links unten im Portal des Kölner Doms – das Fenster ist 15 Meter hoch. Und nun zu Herrn Kühne. Sie vermuten sicher, dass sein Einkommen dann der Höhe des Doms entspräche. Das wären 157 Meter. Aber weit gefehlt! Das wäre “nur” das zehnfache von Herrn Blume. Das reicht nicht. Und das höchste Gebäude der Welt? Der Burj Khalifa in Dubai mit 828 Meter? Auch das reicht nicht aus. Ja selbst der höchste Berg, der Mount Everest, wäre nicht ausreichend. Man müsste dann noch zwei Kölner Dome übereinander obendrauf stellen. Unfassbar!
Wenn ein Facharbeiter total sparsam wäre und jedes Jahr die Hälfte seines Einkommens auf die hohe Kante legen würde, dann müsste er 250.000 Jahre arbeiten, um soviel anzusparen, wie Herr Kühne in einem einzigen Jahr verdient. Zur Erinnerung: Jesus Christus ist vor 2000 Jahren gestorben. In der Zeit hätte der Facharbeiter nicht mal ein Hundertstel des Jahreseinkommens von Herrn Kühne angespart.
Um aber so viel anzusparen, wie Herr Kühne an Vermögen besitzt, hätte der Facharbeiter bereits 3 Millionen Jahre sparen müssen. Das war lange, bevor die Steinzeit begann. Damals gab es weder den Homo Sapiens noch den Neandertaler – noch nicht mal den ältesten aller Urmenschen!
Stimmt – das ist schon irre! Wow! Aber wie hat denn Klaus Michael Kühne sein Vermögen erarbeitet? Durch ehrliche Arbeit? Die Geschichte geht so: Die Brüder Alfred (K. M. Kühnes Vater) und Werner Kühne erbten 1933 Teile der kleinen Spedition Kühne + Nagel. Beide waren überzeugte Nazis, Werner auch schon NSDAP-Mitglied. Sie nutzten die Gelegenheit und drängten ihren dritten Partner Adolf Maass, der jüdischer Abstammung war und dem fast die Hälfte des Betriebs gehörte, ohne Entschädigung aus der Firma. Dieser kam dafür mit seiner Frau ins KZ. Beide wurden 1945 in Auschwitz ermordet. Die Firma wurde nun ein NS-Musterbetrieb und wuchs rapide. Sie bekam nämlich von Hitler das Monopol für die Entsorgung von 65.000 jüdischen Haushalten in Frankreich und den Benelux-Staaten, deren Bewohner ins Ausland flohen oder gar ins KZ kamen.
Und nach dem Krieg? Zunächst durften die Brüder wegen ihrer Nazi-Vergangenheit kein Geschäft führen. Sie machten deshalb Dieter Liesenfeld, einen jungen Mann jüdischer Abstammung, zum Teilhaber. Dann aber wurde Kühne + Nagel für etwa 10 Jahre Tarnfirma der CIA-Geheimorganisation Gehlen, die zum großen Teil aus Mitgliedern der SS, SA, der Gestapo und der Geheimdienste der Wehrmacht und der NSDAP bestand. Dafür wurde Alfred Kühne auf Anweisung des CIA entnazifiziert und zahlte seinen Bruder und Herrn Liesenfeld aus. Später übergab er dann die Führung des Konzerns nach und nach an seinen einzigen Sohn Klaus Michael.
Heute ist Kühne + Nagel das drittgrößte Logistik-Unternehmen der Welt. Firmen- und Wohnsitz hat Kühne aus Steuergründen in die Schweiz verlegt. Anfang November 2008 widersprach er bei einer Podiumsdiskussion einer möglichen Fusion mit der dänischen Reederei Maersk. Er wolle das Käuferkonsortium „möglichst reinrassig deutsch halten“. Aber natürlich in Deutschland keine Steuern zahlen. Eine wissenschaftliche Auftragsstudie über die Familiengeschichte wurde von K. M. Kühne nicht veröffentlicht, da die Autoren sich weigerten, ihm nicht passende Passagen zu streichen.
Erstes Gedankenspiel: Herr Kühne schenkt nun Hamburg ein Opernhaus für 300 Millionen Euro. Großzügig? Rechnen wir mal nach. Würde er Abgaben bezahlen wie jeder normale Arbeitnehmer, dann wären das 1,7 Milliarden Euro jährlich. Das wären also fünfeinhalb Opernhäuser – und zwar jedes Jahr!
Oder: Der Hamburger Senat und die Bundesregierung könnten von seinen Steuern auch 40.000 zusätzliche Erzieher finanzieren – die dringend fehlen in Deutschland.
Und: Er würde trotzdem jedes Jahr um fast zwei Milliarden Euro reicher!
Zweites Gedankenspiel: Tatsächlich ist die Familie Kühne nur eine von insgesamt etwa 220 Milliardärsfamilien und etwa 4000 Hektomillionärsfamilien (mit mehr als hundert Millionen Euro Vermögen) in Deutschland. Wenn diese prozentual nur so viel Steuern zahlen würden wie normale Arbeitnehmer (sie zahlen aber leider nur ein Bruchteil), dann würde das reichen für jährlich: 100.000 neue dringend benötigte Sozialwohnungen (10 Mrd. Euro), ein Programm für gleiche Chancen für alle Kinder (Kindergrundsicherung, Kitas, Schulen – 30 Mrd. Euro), die dringend nötige Reparatur der Infrastruktur von Schulen, Krankenhäusern, Brücken und Bahn (40 Mrd. Euro) und den klimagerechten Umbau des Landes (30 Mrd. Euro).
Deutschland wäre um einiges sozialer, gerechter und klimafreundlicher!
Anmerkungen: Menschen, die für den Mindestlohn 40 Stunden in der Woche arbeiten, zahlen in Deutschland fast 50 Prozent (sprich „die Hälfte“) ihres Einkommens (Arbeitgeberbrutto) in Form von Sozialabgaben, Einkommensteuern und Verbrauchsteuern an den Staat. Multimillionäre und Milliardäre zahlen meist weniger als zwei Prozent. Denn sie halten ihr Vermögen überwiegend in Stiftungen oder Privat-Holdings. Und selbst wenn man die Unternehmensteuern ihrer Firmen mitrechnet (aber wieso sollte man das?), dann zahlen sie in der Regel nur zwischen 15 und 30 Prozent.
Wenn Herr Kühne USA-Bürger wäre, dann müsste er auf Grund von Gesetzen, die Präsident Barack Obama durchgesetzt hat, sein Einkommen voll versteuern. Selbst Donald Trump hat das nicht abgeschafft.
Um das Wachsen der Schere zu beenden, müssten die Reichen und Superreichen einen Teil des Reichtums wieder abgeben. So war das in den Wirtschaftswunderjahren nach dem Krieg tatsächlich in Deutschland, in Großbritannien und auch in den USA.
Das Steuerpaket der Bundesregierung geht leider in die falsche Richtung und verschärft diese soziale Ungerechtigkeit sogar noch. Es wird Zeit für eine finanzpolitische Kehrtwende.