Gepriesen sei Ovid, der römische Dichter (43 v. Chr.-17. n. Chr.), der mit seinem Epos, den Metamorphosen (Verwandlungen), anregte, sie in bescheidenem Stil nachzuahmen. Er gab den Menschen und niederen Göttern die Gestalt von Pflanzen, Tieren oder hob sie an den Himmel. Zum Exempel: Die Nymphe Daphne wurde zum Lorbeerbaum; Jupiter verwandelte die Geliebte Io in eine Kuh, als Juno ihm hinter die Schliche kam, und die Lycischen Bauern fanden sich als Frösche wieder. – Ovids weitschweifende Fantasie steckt an und weckt die Lust zum Verändern.
Die Forelle
mit Namen Salmo trutta und der Familie der Lachsfische angehörend. Man kennt von ihnen die Bach-, See- und Meerforelle. Die ersten beiden bevorzugen die Binnengewässer (Süßwasser), während die Meerforelle sich im Salzwasser wohlfühlt. Sie unterscheiden sich in der Größe und können sich mit ihrer Färbung dem jeweiligen Untergrund anpassen. Allen Dreien ist die Beliebtheit als Speisefisch eigen. – Die heimische Bachforelle (Salmo trutta fario) hat ihren Lebensraum in kühlen, sauberen Fließgewässern. Sie steht oft unbewegt still oder huscht in eleganten Schwüngen durch das Bachgeplätscher. Die erste Verwandlung beginnt. – Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791), Journalist, Komponist, Dichter, geht an einem Sonntagnachmittag zur Entspannung in die freie Natur (vermutlich!). Sonne, Vogelgesang, nickende Blumen am Bach. Die wohltuende Umgebung dringt in seine Dichterseele und formt sich später zum Reim:
„In einem Bächlein helle, / Da schießt in froher Eil / Die launische Forelle / Vorüber wie ein Pfeil: / Ich stand an dem Gestade / Und sah in süßer Ruh / Des muntern Fischleins Bade / Im klaren Bächlein zu …“ Das Gedicht entstand und begleitete Schubart während seiner zehnjährigen Festungshaft auf dem Hohenasperg.
Die nächste Wandlung übernimmt Franz Schubert. Die quirlige Forelle wird zu Musik. Schubert greift Schubarts Gedicht auf und nutzt es als Vorlage für eines seiner schönsten Kunstlieder. Melodie, Verszeilen und das Spiel des Fischleins stimmen wunderbar überein. Damit nicht genug. Dem Franz geht das muntere Tier nicht aus dem Sinn. Er lässt es mehrstimmig werden: Das „Forellenquintett“. Ein Zusammenspiel von Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass. Der ungewöhnliche Klang führt zum Ursprung zurück. Das Bild vom (vermutlichen) Sonntagsspaziergang wird lebendig. Vögel singen, der Bach rauscht, an den Ufern blüht es gelb und blau, sanft fächelt der Wind. Heitere Gelassenheit stellt sich ein.
Die Lerche
Noch ehe man ihren Namen kennt, weiß man von ihrem Jubelgesang. Manch Einer stellt ihn sogar über das Lied der Nachtigall. Nach wissenschaftlicher Nomenklatur heißen die kleinen unscheinbaren Sänger Alaudidae und entstammen der Ordnung der Sperlingsvögel, denen sie in ihrem einfachen Habit auch gleichen. Mit mehr als 90 Arten über die Erde verteilt, bilden sie eine Großfamilie. In Mitteleuropa trifft man vorrangig Heide-, Hauben- und Feldlerche (Alauda arvensis) an. Ihr Tirilieren ist melodienreich, volltönend und betörend in Dur und Moll und wird im „Singflug“ vorgetragen. Manchmal verzaubert sie auch die mondhellen Nächte mit ihrem Singsang. Hatte Shakespeare Alauda arvensis nächtlich belauscht, als er an der großen Liebestragödie arbeitete? – Julia: „Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern. / Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche, / Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang…“
Romeo: „Die Lerche war’s, die Tagverkünderin, / Nicht Philomene; sieh den neid’schen Streif, / Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt…“ – Josef Haydn war der musikalischen Sängerin, die ihm das „Lerchenquartett“ eingab, gewiss am helllichten Tag begegnet.
Viele Singvögel, mochten sie noch so fröhlich zwitschern, waren seit Altersher nicht davor bewahrt, gefangen, getötet und verspeist zu werden. Die sangesfreudige Lerche gehörte zu ihnen. Ausgelegte Netze, in denen sich die Tiere verfingen, machten ihnen den Garaus. Man handelte sie als Delikatesse. Ein lohnendes Geschäft für die Küche, Gasthäuser und den Export. Da die Population der Feldlerchen auf Grund damals noch günstiger Umweltverhältnisse, besonders in der Leipziger Gegend, reichlich und gesichert war, trugen die „Lerchenfrauen“ vom Land ihre Ausbeute als „Leipziger Lerchen“ in die Messestadt. Dort wurden sie an die städtische Gastronomie verkauft oder für den Versand vorbereitet.
In den Kochbüchern des 19. Jahrhunderts findet sich eine Fülle von Rezepten, um die kleinen Sänger schmackhaft auftischen zu können. Ein trauriger Umstand, der, zum Glück, ein gutes Ende fand.
Endlich beginnt ein Umdenken. Und die Singvögel erhalten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schutz durch Verordnungen und Gesetze. Schluss ist es mit dem grausamen Spiel! Die Feinschmecker und Genießer beklagen den Verlust. Es musste etwas geschehen, um die Verkaufslücke zu schließen. Hier setzt die Verwandlung ein. Die gewitzten Bäcker der Stadt erfanden an Stelle von oder im Gedenken an die geschundenen Tiere ein Süßgebäck. Sie tauften es ebenfalls „Leipziger Lerche“. Eine rasch beliebte und begehrte Leckerei. Es ist ein kleines, mit Marzipan gefülltes verführerisch duftendes Mürbeteigtörtchen, auf dessen Oberfläche zwei gekreuzte Teigbänder liegen, in Erinnerung an die Verschnürung, mit der die Vögel vormals verschickt wurden. – Die auf glückliche Weise verwandelten und geretteten Lerchen fliegen nicht, singen nicht, aber schmecken köstlich.
Die Taube
Columba, welch aparter Name. Gemeinsam mit ihren anverwandten Arten bildet sie die Familie der Columbidae. Klein wie eine Lerche, groß wie ein Huhn, so gestalten sich die Größenverhältnisse. Die meisten Tauben besitzen eine graue bis graublaue Grundfärbung („taubenblau“), zum Teil mit sogenannten „Binden“ versehen. Manche Arten prunken auch mit buntem Gefieder. – Die Lebensweise schildert Hildegard von Bingen (1098-1179): „Die Taube ist mehr kalt als warm, und den Morgen des Tages, das heißt seinen ersten Anfang, der mäßig kalt ist, liebt sie mehr als die Wärme. Und sie ist einfältig und furchtsam, und daher fliegt sie im Schwarm, um desto weniger von anderen Vögeln geschädigt zu werden.“
Erstaunlich ist die ausgeprägte Orientierungsfähigkeit der Vögel. Um zu ihrem Ausgangsort zurückzufinden, können sie hunderte Kilometer zielsicher überfliegen. Als Orientierungshilfen gelten derzeit: Der Stand der Sonne; bei trübem Wetter die Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes und der untrügliche Geruchssinn. – Ohne Kenntnis der modernen Deutung, wusste wahrscheinlich Noah von dieser Eigenschaft. Im Alten Testament wird berichtet: Als die Arche orientierungslos auf der Sintflut trieb, schickte Noah eine Taube auf den Erkundungsflug nach nahem Land. Dreimal war sie unterwegs. Bei einer Rückkehr trug sie einen Olivenzweig im Schnabel. Ein Zeichen der Versöhnung, der Hoffnung und einer bevorstehenden sicheren Landung. Schon seit der Antike symbolisierte die Taube Glück, Liebe, Treue und Friedfertigkeit. – Der Wandel kündigt sich an. Die Taube konvertiert zur angewandten Kunst. Daran beteiligt sind: Henri Matisse, Louis Aragon, Paul Eluard und Pablo Picasso. Bekannt ist, dass Matisse dem Maler Picasso vier weiße Mailänder Tauben schenkte, da er um dessen Vorliebe für diese Tiere wusste. Das inspirierte den Künstler zur Lithografie „Weiße Taube vor schwarzem Grund“. Louis Aragon, der Freund, wählte für das Plakat zum ersten Weltfriedenskongress 1949 in Paris diese Darstellung aus. Sie wurde weltweit zur „Colombe de la Paix“, zur „Friedenstaube“. Nun fliegt sie als Sinnbild der Versöhnung um den Erdkreis.
Das Taubenmotiv „beflügelte“ Picasso stets aufs Neue. Er behandelte und verwandelte es in unterschiedlichen Techniken. Neben anderem entstand 1950 eine Folge von 29 Zeichnungen, nummeriert von I bis XXIX. Ein anmutiges Frauengesicht ist mit einem Olivenzweig geschmückt, der sich im Verlauf zur Taube wandelt und die edlen Züge schützend umfängt. „Le Visage de la Paix“, „Das Antlitz des Friedens“. Ein Jahr danach schreibt Paul Eluard zu jeder Zeichnung einen Text.
Bild XXIV: „Unsere Lieder rufen den Frieden / Und unsere Antworten sind Werke des Friedens.“