von Neal Ascherson
- Spain in Our Hearts: Americans in the Spanish Civil War, 1936-39 by Adam Hochschild, Macmillan,
438 pp, £25.00, April 2016, ISBN 978-1-5098-1054-3 - ¡No Pasarán! Writings from the Spanish Civil War edited by Pete Ayrton, Serpent’s Tail,
393 pp, £20.00, April 2016, ISBN 978-1-84668-997-0 - The Last Days of the Spanish Republic by Paul Preston, William Collins,
390 pp, £25.00, February 2016, ISBN 978-0-00-816340-2 - A Distant Heartbeat: A War, a Disappearance and a Family’s Secrets by Eunice Lipton, New Mexico,
165 pp, £18.50, April 2016, ISBN 978-0-8263-5658-1
Achtzig Jahre sind vergangen. Aber noch immer gibt es keine Einigung darüber, wie an den Spanischen Bürgerkrieg erinnert werden sollte. Das muss es auch nicht. Die wirkliche Ehrung für die Kraft dieses menschlichen Feuersturms besteht im Streit der Urteile und Gefühle, der weiter schwelt und noch immer schmerzt.
Wo sollte der Fokus liegen? Für viele einfach auf den Geschichten – der Erzählung von Opfermut und Leid. Für andere auf der Darstellung des Krieges als Geschichte, mit angehängten Was wäre Wenn – Fragen. Oder über seine „Lektionen“, die einerseits Hitler und Mussolini, andererseits die überlebenden Verteidiger der Republik und auch Stalin gelernt hatten. Und wenn es eine englische Übersetzung der Lektionen gegeben hätte, hätte sich kein demokratischer Führer – sicherlich weder Churchill noch Roosevelt – die Mühe gemacht sie zu lesen. Was bleibt, ist die trübe Lektion von Camus „Es war so, dass [meine Generation] erfahren musste, dass man Recht haben und doch geschlagen werden kann, dass Gewalt den Geist besiegen kann …“
Oder man erinnert sich des Spanischen Krieges wegen seiner Erscheinungsformen. Was sich in und um Barcelona in den ersten Jahren des Krieges zutrug, war nicht von Bestand, passierte bei weitem nicht überall in Spanien, endete in einer Tragödie sowie heftig umstrittenen Erinnerungen und hatte kaum Einfluss auf den Ausgang des Krieges. Adam Hochschild unterstellt in seinem Buch „Spanien in unseren Herzen“, dass die ausländischen Journalisten, die über den Krieg berichteten, von dem militärischen Kampf und der republikanischen Führung in Madrid so „besessen“ waren, dass sie die Revolution, die außerhalb ihrer Hotels stattfand, kaum wahrnahmen. Und doch war Barcelona in jenen Jahren, anders als das was auf den Schlachtfeldern geschah, eine kurze Offenbarung von etwas im verborgenen Leuchtenden der Menschheit: der Hoffnung wie Engel zu fliegen.
Es war einer jener Momente, die es scheinbar nur in Europa gibt. Die Granitberge der Regierung und des Reichtums, die Schluchten der Klasse und die dunklen Wälder des Gesetzes entpuppen sich plötzlich als die Pappkulissen eines Theaterstücks. Gewöhnliche Leute treten sie nieder und fallen anderen in den Arm. Alles wird gemeinsam gemacht, keinem wird mehr widerwillig gehorcht. Im Lichte dessen, was Robert Burns „soziale Liebe“ nannte, kehren die Menschen zu ihrer wahren Natur des selbstlosen Teilens zurück. Es ist eine Verwandlung, die man zuerst während der Französischen Revolution sehen konnte; und zuletzt blitzte sie während der 1968 „Ereignisse“ in Berlin und dem Pariser Mai auf. Wir, oder unsere Kinder, werden es wieder erleben.
In Barcelona und Katalonien wurden diese Ereignisse von Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten ausgelöst. (Das Wort „geführt“ hätten sie nicht gemocht). Orwell kam im Dezember 1936 dort an, um den Faschismus zu bekämpfen und lief wie benommen durch die Straßen – in dem Versuch, sich an einen Ort zu gewöhnen, wo Kellner und Verkäufer ihn als ihresgleichen ansprachen und wo man ihn kritisierte, als er versuchte, einem Liftboy Trinkgeld zu geben. Er schrieb in berührendem Englisch-Sein: „Das alles war seltsam und bewegend. Es gab vieles darin, was ich nicht verstand. Irgendwie mochte ich es nicht einmal, aber ich erkannte es sofort als einen Zustand, für den es wert war zu kämpfen.“
Andere erkannten das als Zustand, der bekämpfenswert war – und diese befanden sich nicht nur auf der Rebellenseite von Franco. Der Großteil der politischen Koalition, der die Republik verteidigte – Liberale, viele Sozialisten und vor allem die große und gut organisierte Kommunistische Partei Spaniens –, befürchtete, dass der anarchistische Ausbruch in Katalonien die militärischen Anstrengungen schwächen und die „bürgerlichen Demokratien“ davon abschrecken würde, der Republik zu helfen und sie zu bewaffnen. Hochschild gibt die ernüchternden Worte einer kommunistischen Frau in Barcelona an einen amerikanischen Besucher wider: „Es gibt keine Revolution … Das ist ein Volkskrieg gegen den Faschismus.“
Hochschilds Buch – intelligent, gut geschrieben und recherchiert – rankt sich um die Erfahrungen der Abraham Lincoln Brigade. Etwa 2800 amerikanische Freiwillige waren Kämpfer oder dienten als Mediziner und Krankenschwestern in den Internationalen Brigaden, 750 von ihnen wurden getötet. Hochschild sagt, dass sein Buch nicht beabsichtige „eine vollständige Geschichte des Krieges oder der amerikanischen Beteiligung daran wiederzugeben. Es ist vielmehr die Geschichte einer Gruppe von Menschen, deren Wege sie einen Ozean von zu Hause wegführten, während einer gewalttätigen Zeit.“
Aber das ist zu bescheiden. Seine Darstellung des Krieges – mehr als die Geschichte – reicht weit über die amerikanischen Kämpfer hinaus und entfaltet ihre Wirkung Monat für Monat auf ausländische Besucher und Journalisten sowie auf deren Regierungen.
Das ist ein Buch nach dem Kalten Krieg, das es sich leisten kann, eine gelassene Sicht auf die kommunistische Weltbewegung und die Kommunistische Partei der Vereinigten Staaten während der Zeit des Stalinismus zu nehmen. „Die meisten Amerikaner, die nach Spanien gingen, betrachteten sich als Kommunisten, und wir können sie nicht verstehen, ohne zu verstehen, warum der Kommunismus damals eine so mächtige Anziehungskraft hatte und warum die Sowjetunion so vielen als Leuchtturm der Hoffnung erschien.“ Etwa drei Viertel der amerikanischen Freiwilligen waren Parteimitglieder. Neunzig von ihnen waren schwarz. Ein Drittel kam aus der Gegend von New York und viele waren jüdisch. Der „Prototyp“ des Freiwilligen war laut Hochschild „ein New Yorker, ein Kommunist, ein Einwanderer oder der Sohn von Einwanderern, ein Gewerkschafter und ein Mitglied einer Gruppe, die heute fast aus den USA verschwunden ist: ein Jude aus der Arbeiterklasse“. Wie Hochschild sagt, hatte keiner von ihnen die soziale und intellektuelle Größe wie einige berühmte Interbrigadisten von anderswo: Julian Bell, John Cornford oder André Malraux. Aber ihre Motive für den Kampf waren groß – größer als Spanien. Wie ein alter Freiwilliger zu Hochschild sagte: „Für uns war es nicht Franco … es war immer Hitler.“
Bevor die Bevölkerung der Demokratien erkannte was auf dem Spiel stand, hatten diese wenigen verstanden und die Bestie beim Namen genannt, die ihnen jetzt entgegenschlug. Als die Überlebenden zurückkehrten, wurden sie durch abschätzige oder schuldbewusste Stimmen als „verfrühte Antifaschisten“ abgetan.
Die Figur des treuen Anhängers Robert Merriman marschiert durch Hochschilds Geschichte. Groß, hartnäckig und gelassen, war er ein natürlicher Führer, dem sich jeder in Zeiten des Schreckens und der Verwirrung zuwandte. Ein Kämpfer, dessen Vertrauen in die Sowjetunion niemals schwankte. Er hatte dort gelebt. Als Berkeley-Absolvent aus der Arbeiterklasse ging Bob mit seiner Frau Marion in den 1930er Jahren nach Moskau, als Tausende von jungen Amerikanern die Einladung der UdSSR annahmen, Arbeitsplätze in deren kolossalen Industrialisierung einzunehmen.
Unheilvolle Gerüchte – zum Beispiel über die ukrainische Hungersnot – umschwirrten die amerikanische Expat-Gemeinschaft, die Bob jedoch loyal ignorierte.
Es waren nicht die große Säuberung oder die Moskauer Prozesse, die Bob Merriman veranlassten, die Sowjetunion zu verlassen, sondern den Ausbruch des Krieges in Spanien und der Ruf der Komintern nach Freiwilligen. Dort in Spanien sollte er die Lincoln-Männer in den Kampf führen: 1937 wurde er in der Jarama-Schlacht verwundet, sammelte seine Männer, als die Ebro-Front im März 1938 zusammenbrach, wurde vermisst – vermutlich fiel er – als er den Ebro erneut überquerte, um die von der Offensive eingeschlossenen amerikanischen Soldaten zu retten. Hochschild ist sicher, dass Merriman das Vorbild für Jordan ist, den Helden und Märtyrer aus „ Wem die Stunde schlägt“ (von Ernest Hemingway – d. Ü.).
Durch die Memoiren und Briefe anderer amerikanischer und britischer Überlebender wird Hochschild an den hartnäckigen Mut der Internationalen Brigaden erinnert, die in Brunete oder Teruel, Belchite oder am Ebro, ausgerüstet mit museumsreifen russischen Gewehren oder mit französischen Maschinengewehren mit Ladehemmung aus den Jahren vor 1914, in unglückliche Offensiven und Gegenangriffe gerieten.
Die Republik war anfänglich viel reicher als die Rebellen, aber die einzige Macht, die ihnen Waffen verkaufen wollte, war die Sowjetunion. Die Demokratien hielten sich zurück. „Wenn es einen Platz gibt, wo Faschisten und Bolschewiken einander töten können, umso besser“, bemerkte Stanley Baldwin. Roosevelt forderte ein „moralisches Embargo“ für den Verkauf von Waffen an beide Seiten. Doch da das Dritte Reich und Mussolinis Italien fortfuhren, Männer, Panzer und Flugzeuge in Francos Lager zu schicken, wurde aus „Nicht-Intervention“ ein langsames Todesurteil für die Republik.
Das war den ausländischen Journalisten, die über den Krieg von Madrid aus berichteten, recht klar. Mit unerwartetem Zorn protestiert Hochschild, dass „nicht ein (Journalist) genügend Interesse an der Revolution zeigte, die sie monatelang umtobte.“ Aber er weiß wie eine reisende Pressemeute funktioniert und zeigt Verständnis für den talentierten Mob, der im Hotel Florida während der Belagerung Madrids arbeitet. Hemingway und Martha Gellhorn und Herbert Matthews von der New York Times und Virginia Cowles gehörten zu dieser Mannschaft, die meisten zutiefst engagiert für die antifaschistische Sache. Gellhorn –mit wachsender Verzweiflung – nutzte ihre Freundschaft mit Eleanor Roosevelt, um vor den Folgen der Nicht-Intervention zu warnen und um amerikanische Hilfe zu bitten. Hemingway, obwohl er gern prahlte, legte, als die Republik unterging, enorme Energie und Initiative in die Organisation der Flucht von Soldaten und Zivilisten. Matthews bekämpfte die katholischen Redakteure der New York Times, die seine Geschichten manipulierten, um Francos Propaganda zu begünstigen, und verlor dennoch den Kontakt zur Realität, als er unangemessen übertriebene Beiträge über die „ausgezeichnete“ Moral der Republik schrieb, während Franco seinen letzten Durchbruch vorbereitete.
In Barcelona sind die jungen Amerikaner, die in der Ekstase einer anarchistischen „Neuen Welt“ leben, entsetzt, als die Kommunisten und ihre Verbündeten in der Regierung eine ältere Ordnung wiederherstellen wollten. Hochschild erzählt sorgfältig und ziemlich fair diese erbärmliche Geschichte.
Er schluckt nicht das Argument, dass der Krieg verloren war, weil die Revolution unterdrückt wurde, und kommt widerwillig zu dem Schluss, dass ein Element aus der kommunistischen Sache gültig bleibt: Um diese Art von Krieg zu gewinnen, „ist eine disziplinierte Armee, die zentral geführt wird, weitaus effektiver“. Jahre zuvor war Orwell zu derselben Meinung gekommen: Der Glaube, dass „der Krieg hätte gewonnen werden können, wenn die Revolution nicht sabotiert worden wäre, war wahrscheinlich falsch“, schrieb er. Doch beide Schriftsteller – vor allem Orwell, der gerade so heil der Säuberung Barcelonas entkommen war – finden den kommunistischen Umsturz verabscheuungswürdig wegen seiner Brutalität, Verlogenheit und Unterwürfigkeit gegenüber den Weisungen Moskaus. Hochschild betrauert was verloren war: „ So verdammt wie die spanische Revolution auch gewesen sein mag, für ein paar Monaten war eine atemberaubend andere Gesellschaft entstanden und aufgeblüht, wie sie es seitdem nicht gegeben hat.“
Die britischen Freiwilligen, die die Madrider Universität verteidigten, fanden heraus, dass ein Buch 350 Seiten dick sein musste, um eine Kugel zu stoppen. Sie verbarrikadierten sich hinter Kant, Voltaire, Goethe und Pascal. John Cornford und seine Genossen wären ebenso sicher hinter Hochschilds „Spanien in unseren Herzen“ geborgen gewesen, da es lang genug ist, um Geschichten von zahlreichen amerikanischen und britischen Kämpfern zu erzählen. Diese Freiwilligen waren Männer und Frauen, und das republikanische Spanien war der erste Ort auf der Erde, wo eine afro-amerikanische Frau – Salaria Kea – ein Team von weißen Krankenschwestern leitete. Es war auch der erste Ort, wo ein schwarzer Offizier – Oliver Law – eine gemischte amerikanische Brigade in die Schlacht führte.
Hochschild kehrt immer wieder zur amerikanischen Nicht-Intervention zurück – die Politik, die Roosevelt später selbst „einen schweren Fehler“ nannte. Roosevelt hatte instinktiv Sympathie für die republikanische Sache, die er als Selbstverteidigung der spanischen Arbeiter gegen den Faschismus verstand. Aber seine Neigungen wurden durch verworrene politische Kalkulationen getrübt, vor allem durch die vermutete Wirkung, die „Waffen für Spanien“ auf die katholischen Wähler in den Vereinigten Staaten haben könnte. Und Hochschild macht die massive und möglicherweise entscheidende Unterstützung einiger amerikanischer Unternehmer für Franco deutlich. „Ohne amerikanisches Erdöl und amerikanische Lastwagen und amerikanische Kredite hätten wir niemals den Bürgerkrieg gewinnen können“, sagte ein Diplomat Francos später. Das Petroleum wurde von Texaco und seinem steinharten Chef Torkild Rieber während des Konflikts geliefert. Rieber verwandelte Texacos globale Hafenpräsenz in ein faschistisches Netzwerk des Geheimdienstes und informierte Francos Stab über die Routen der Öltanker, die für die Republik bestimmt waren, damit die Schiffe von italienischen U-Booten gejagt und versenkt werden konnten. Roosevelt wusste was Rieber vorhatte, aber er tat nichts dagegen. So viel zum „moralischen Embargo“. Rieber lieferte Öl im Wert von 325 Millionen Dollar Öl (nach aktuellen Preisen) an Franco. Er wurde Ritter des Großen Kreuzes von Isabela la Católica und ein Anhänger von Nazi-Deutschland. Als ein Freund von Hermann Göring handelte er eifrig mit dem Dritten Reich, bis Hitler 1941 den USA den Krieg erklärte.„ Rieber starb 1968 im Alter von 86 Jahren als reicher Mann.“
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Hochschilds weitreichende und ideenreiche Behandlung des spanischen Krieges ist die richtige Vorbereitung für ‚¡No Pasarán!‘ – eine Anthologie von persönlichen Erfahrungen, erinnert oder (leicht) fiktionalisiert. Pete Ayrton hat aus der Arbeit von 38 Autoren ausgewählt, von denen nur einige berühmt sind und nicht alle auf der Seite der Republik waren. Es gibt Übersetzungen nicht nur aus dem Spanischen, sondern auch aus dem Baskischen, Katalanischen, Französischen, Italienischen und aus dem Polnischen.
Die meisten der Autoren sind oder waren links. Aber auch Drieu la Rochelle – französischer Faschist und Kollaborateur mit der Nazi-Besatzung – bekommt Raum, und es gibt schreckliche Erzählungen von bäuerlichen und anarchistischen Gräueltaten, die der Erinnerung an das viel tiefere und breitere Blutbad von Franco gegenübergestellt werden. Malraux, Sartre, Jorge Semprun, Laurie Lee, Victor Serge, Luis Buñuel und natürlich Orwell haben ihren Platz, aber zur Abwechslung – fast willkommen – sind Hemingway und Gellhorn abwesend. Stattdessen gibt es die amerikanischen Augenzeugen John Dos Passos und Muriel Rukeyser, ausgewählt von Ayrton.
Ayrtons Auswahl erzählt nicht nur vom Töten im Kampf oder – häufiger – hinter den Linien, als Sieger sich an hilflosen Zivilisten rächten. Victor Serge und Pierre Herbart beschwören abwegige kommunistische Manöver herauf, um mitten in einem verzweifelten Überlebenskrieg ideologische Gegner zu vernichten. Und Jordi Soler, ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Bürgerkrieges geboren, schreibt über das Lager von Argelès-sur-Mer, einem Teil von Frankreichs Gulag-Archipel, in das eine halbe Million Soldaten und Flüchtlinge aus der besiegten Republik getrieben wurden. Solers Großvater war unter ihnen.
Am eindrücklichsten sind die Auszüge oder Skizzen, die dem Krieg eine Interpretationart entziehen und sie durch andere ersetzen. Für einige Schriftsteller wird die Vergangenheit vollständig getrennt von dem was folgte, wird zu einem privaten Platz reserviert für die Überlebenden. Laurie Lee erinnert sich „der Chance, eine große, unkomplizierte Geste von persönlichem Opfermut und Treue zu generieren, die es nie wieder geben würde. Sicherlich war es das letzte Mal in diesem Jahrhundert, dass eine Generation eine solche Möglichkeit hatte, bevor der Nebel des Nationalismus und der Massenvernichtung sich senkte.“
Andere fühlen eine Verpflichtung, den Verbindungstunnel offen zu halten. Soler steigt in Barcelona in sein Auto und in zwei Stunden hat er eine jetzt unsichtbare französische Grenze überschritten, um Argelès zu erreichen. Es ist genau diese Reise, für die sein Großvater und die Masse der republikanischen Flüchtlinge so viele quälende Wochen brauchten. Der Strand, auf dem das Gefangenenlager stand, ist jetzt mit einer „Menge von Touristen belegt, die, mit Creme beschmiert, ihren Körper der Sonne aussetzen“. Und doch sagt Soler: „Es kann sehr wenig getan werden, um das Vergessen abzuwehren, aber es ist wichtig, dass wir es tun, sonst werden wir ohne Überzeugungen oder Perspektiven enden.“
Die Welt hat, ohne sich viel Mühe um das Verstehen zu machen, Spaniens erbärmliche Kämpfe und Streitigkeiten über Exhumierungen, Denkmäler, verborgene Grausamkeiten beobachtet. In Spanien zumindest weigert sich der Bürgerkrieg, sich tot zu stellen. Bernardo Atxaga lebte in einem kastilischen Dorf, als 1981 der irrsinnige Colonel Tejero mit Waffen ins Parlament stürmte und das Franco-Regime wiederherstellen wollte. Noch am selben Tag ging der Dorfpfarrer mit einer Liste von Sozialisten und Liberalen, die verhaftet werden sollten, in die Kaserne. Und das war viele Jahre, nachdem Brecht schrieb: „ Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Er dachte dabei an Deutschland. Ist dieser Schoß noch fruchtbar in Spanien, sogar im 21. Jahrhundert? Oder in den europäischen Nationen, die jetzt von autoritären, rassistischen Populismus bedroht werden?
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Der spanische Bürgerkrieg begann mit einem Staatsstreich: Francos Aufstand in Marokko. Es ist weniger bekannt, dass er in einem anderen endete. Dies war der Putsch – oder die Meuterei – auf der republikanischen Seite am 5. März 1939, der die Regierung von Juan Negrín stürzte und eine „ehrenvolle“ Kapitulation verlangte. Die beiden Männer, die den Staatsstreich führten, waren Segismundo Casado, Kommandeur der republikanischen „Armee des Zentrums“ und Julián Besteiro, ein älterer unzufriedener Sozialist, der Parteivorsitzender gewesen war.
In den letzten Wochen haben sich Millionen von Web-Nutzern über Menckens Prophezeiung von 1920 Sorgen gemacht, dass das Weiße Haus eines Tages „von einem dummen Narren und einem kompletten narzisstischen Schwachkopf geziert“ werden würde. Das passt auch ziemlich genau zu den Putschisten von 1939 in Spanien. Besteiro war der verträumte Idiot. Casado, der ihn in die Verschwörung hineinzog, war der sich selbst darstellende, selbstsüchtige Schwachkopf.
Paul Preston, Autor von „Die letzten Tage der Spanischen Republik“, urteilt von der ersten Seite an hart: „Dies ist die Geschichte einer vermeidbaren humanitären Tragödie, die viele tausend Leben kostete und zehntausende weitere zerstört hat.“ Er erklärt, dass sich drei Individuen im Mittelpunkt der Tragödie befinden. Einer, Dr. Juan Negrín, das Opfer dessen, was man eine Verschwörung von Nieten nennen könnte, versuchte es zu verhindern. Zwei tragen die Verantwortung für das, was geschah. Einer von diesen, Julián Besteiro, verhielt sich mit schuldhafter Naivität. Der andere, Segismundo Casado, verhielt sich mit einer bemerkenswerten Kombination von Zynismus, Arroganz und Selbstsucht.
Anfang 1939 war es offensichtlich, dass die Republik den Krieg verlieren würde. Die republikanische Offensive am Ebro war mit schrecklichen Verlusten zurückgeschlagen worden, und die nationalistische Kampagne in Katalonien hatte sich Anfang Januar 1939 durchgesetzt. Negrín war sich im Klaren darüber was geschah. Hochschild tut ihn – aus irgendeinem Grund – ab als „behäbigen, mehrsprachigen Physiologen, berühmt für seinen gigantischen Appetit“. Prestons Buch zeigt ihn dagegen als einen Mann von verzweifeltem Mut und Energie. Er hatte nur wenige Illusionen, aber er hörte nie auf, kühne Ideen zu unterbreiten, die von ungehorsamen oder verräterischen Untergebenen untergraben oder einfach durch die Abneigung der Demokratien, den Faschismus zu bekämpfen, unterminiert wurden.
Als die Niederlage drohte, war Negríns erste Hoffnung, dass der Kampf in Spanien bis zum unvermeidlichen Ausbruch des europäischen Krieges verlängert werden könnte. Dann könnten Frankreich und Großbritannien das republikanische Spanien als ihren Verbündeten im Kampf gegen Hitler und den europäischen Faschismus anerkennen, und mit ihrer Unterstützung könnte die Flut sich gegen Franco wenden. Aber die Münchener Einigung im Herbst 1938, gefolgt von Hitlers unbehinderter Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939, offenbarten Negrín, dass der Westen noch nicht bereit war zu kämpfen. Im Gegenteil, besonders die Briten drängten ihn, sich zu ergeben. Chamberlains Kabinett war dabei, Francos Regierung anzuerkennen; Halifax hatte als Außenminister erklärt: „Je früher dieses Land auf General Francos Bedingungen eingeht und Frieden schließt, desto besser.“ Sowohl Großbritannien als auch Frankreich drängten Negrín, einen Waffenstillstand zu erklären als Gegenleistung für eine Garantie Francos für „keine Repressalien“.
Negrín wusste nur zu gut, dass Franco nicht die geringste Absicht hatte, sich an eine solche Garantie zu halten. Aber er meinte immer noch, dass es Möglichkeiten gäbe, das Schlimmste zu vermeiden. „Ein verhandelter Frieden, immer“, sagte er. „Bedingungslose Kapitulation, um sie eine halbe Million Spanier erschießen zu lassen, niemals!“ Seine Strategie war jetzt nur noch zu kämpfen, ohne Aussicht auf den Sieg, aber in der Hoffnung, Zugeständnisse von Franco als Preis einer Einigung zu erzwingen.
Hinter ihm fielen die Republik und ihre Führung auseinander. Präsident Azaña, grün vor Angst, hatte sich nach Frankreich zurückgezogen, wo ein Großteil der „Nordarmee“ der Republik bereits Zuflucht gefunden hatte. Der Kern des militärischen Widerstandes waren nun die Kommunistische Partei und ihre Kräfte. Hass auf die Kommunisten führte die Anarchisten und ihre Milizen in eine Allianz mit Sozialisten und konservativen Offizieren, um eine aus deren Sicht unmittelbar drohende Machtübernahme zu verhindern. Negrín galt absurderweise als kommunistische Marionette in Moskaus Sold. Die Wahrheit war, dass die wachsende Untreue und Ungehorsamkeit seiner Regierung bedeutete, dass die Kommunistische Partei die einzige Struktur war, auf die er sich noch verlassen konnte, um den Krieg weiterzuführen.
General Casado, dünn, bebrillt, fanatisch überzeugt von seinen eigenen Auffassungen, stand heimlich schon lange mit den Nationalisten in Verbindung. Er war bei weitem nicht das einzige Mitglied der republikanischen Führung, das geheimen Kontakt mit der Fünften Kolonne von Franco in Madrid hatte. (Es ist eine Schwäche des Buches von Preston, dass er niemals die außerordentliche Tatsache erklärt, dass die Geheimdienste von Franco während des Krieges eine fast öffentliche Präsenz in der republikanischen Hauptstadt aufrechterhalten konnten. Wer waren sie, fragen wir uns und wie wurden sie organisiert?)
Juan Besteiro, sozialistischer Intellektueller und Professor, war eine weitere führende Persönlichkeit, dessen enttäuschte Ambitionen und Misstrauen gegenüber Negrín ihn ins Netz der Fünften Kolonne geraten ließ. Allmählich begannen sich die Umrisse eines Plans, „Spanien vom Kommunismus zu retten“, abzuzeichnen. Gut informiert, was in Madrid vor sich ging, konnte Franco seinen Vormarsch verzögern und auf Casado und Besteiro warten, die die Arbeit für ihn taten.
Casado überzeugte seine Anhänger, dass Franco seine hohen Motive verstehen und – jenseits von Negrín und den Kommunisten – der Republik einen „ehrenvollen Frieden“ anbieten würde. War er selbst davon überzeugt? Von Anfang an arrangierte er heimlich, die „Roten“ – Anarchisten wie Kommunisten – der Rache der Faschisten nach der Kapitulation zu überlassen und versprach der Fünften Kolonne, dass er sicherstellen würde, dass sie nicht entkommen konnten. Er log maßlos, indem er behauptete, Franco habe ihm versprochen, Gnade und Zurückhaltung zu zeigen, und dass die Engländer Franco dazu veranlasst hätten, alle Berufsoffiziere zu begnadigen (beides völlig unwahr). Besteiro entwickelte die Phantasie, dass der Krieg in einer prächtigen Abschlussparade und einer zeremoniellen Umarmung enden und dabei ein Schwert des Sieges an Franco überreicht werden würde.
Als Negrín begriff, was sich da zusammenbraute, war es zu spät. Der Staatsstreich ging am 5. März 1939 los. Sein Ergebnis war schrecklich und vorhersehbar. Franco hatte kein Interesse an irgendeinem ausgehandelten Frieden. Indem sie die Kommunistische Partei und ihre Truppen niederhielten, beseitigten die Putschisten das einzige Element, das Franco lange genug hätte zurückhalten können, bis die Republik die Evakuierung ihrer Anhänger organisiert hätte. Die Anarchisten hielten herrliche Reden über den ‚Numantinischen Widerstand‘ (Kampf bis zum Tod; die Phase von 143 bis 133/132 v. Chr. aus der Zeit des Spanischen Krieges wird manchmal auch Numantinischer Krieg genannt, nach dem heute in Spanien gelegenen keltischen oppidum Numantia, eines der Zentren des Widerstandes gegen die Römer – d. Ü.) und verbrannter Erde, aber taten nicht viel. Die sozialistischen Führer veröffentlichten eine finale Botschaft: „Mehr als antifaschistisch ist es erforderlich, antibolschewistisch zu sein.“ Dann flohen sie mit Koffern, gefüllt mit Safran für den Verkauf in Frankreich, nach Algerien. Admiral Buiza, der Marinekommandant, der die Evakuierung auf dem Seeweg abdecken sollte, fuhr mit seinen Schiffen nach Tunesien.
Der Exodus begann ungeplant und hektisch. Negrín ging nach Frankreich, Casado auf einem britischen Zerstörer nach London, wo er viele Jahre für die BBC arbeitete. Besteiro saß kettenrauchend in Madrid und wartete darauf, dass Franco ankam und ihn mit Dankbarkeit und Ritterlichkeit behandelte (er musste sich im Gefängnis zu Tode arbeiten). Ströme von Republikanern und ihren Familien flohen in Richtung Südost-Küste. Casado hatte behauptet, er habe Schiffe für zehntausend zu Evakuierende. Es war seine letzte Lüge: er hatte keine. Ein britischer Dampfer, der mit fast dreitausend Menschen bis obenhin beladen war, war das letzte Schiff, das Alicante verließ. Dann kamen Francos Truppen und das Schlachten begann.
Für Historiker, entfernt von den Leidenschaften jener Jahre, hinterließ der Krieg faszinierende Wenns und Abers. Hochschild fasst sie gut zusammen, aber keines scheint heute überzeugend. Hätte die Republik gewinnen können und hätte das die europäische Geschichte verändert? Ja und nein. Wenn die Demokratien Spanien gegen Franco bewaffnet hätten, hätte er geschlagen werden können – und doch hätte dies Hitler kaum von seinen Aggressionsplänen abgeschreckt. Spanien war nur ein Nebenschauplatz für ihn. Hätte ein republikanischer Sieg in einem kommunistischen Spanien, einer Marionette der Sowjetunion, geendet? Vermutlich nicht. Es ist unvorstellbar, dass Spanien jemals irgendjemandes Kolonie geworden wäre, selbst wenn Stalin es gewollt hätte. Und der spanische Kommunismus wäre bald sehr unsowjetische Wege gegangen, schon um im eigenen Lande zu überleben.
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Als die Internationalen Brigaden durch weinende Menschenmassen marschierten, sagte ihnen Dolores Ibárruri („la Pasionaria“), sie seien Geschichte, sie seien Legende: „Wir werden euch nicht vergessen.“ Als eine Gruppe von Überlebenden in ein freies Spanien zurückkehrte, fast sechzig Jahre später, weinten die Massen wieder und applaudierten und schrien „Gracias!“. Eunice Lipton war eine von denen, die zurückkamen, aber auch die Toten repräsentierten. Ihr Onkel David wurde auf dem Hügel 666 in der Ebro-Offensive getötet. Ihr Buch ist eine Denkschrift über ihre Suche nach ihm. Er kam genau aus der New Yorker Arbeiterklasse mit jüdischem Hintergrund, die Hochschild betrauert. Eine sehr streitbare Familie, in der Liptons schnoddriger Vater Louis seinen sanftmütigen Bruder für dessen politischen Idealismus verspottete („Nichts ist es wert, dafür zu sterben! Er hat sein Leben weggeworfen!“) und dessen spanische Briefe er vorsätzlich vor der Familie verbarg. Louis‘ Tochter erkannte bald, dass diese brutale Maske Trauer und Schuld verbarg. Sie brach auf, das Schweigen zu durchbrechen und alte Überlebende der Brigadisten zu suchen, die mit David dienten, und fand ihn so „gutmütig … Er hatte keine scharfen Kanten.“
„Ohne ihn und seine Freunde“, so sagt abschließend Lipton, „hätten sich Leute wie ich nie auf die Straße gegen den Vietnamkrieg begeben, Busse besetzt und für Bürgerrechte marschiert und die Frauenbewegung geschaffen.“
Übersetzung aus dem Englischen: Herbert Grießig.
Endredaktion: Margit van Ham.
London Review of Books, Vol. 38, No. 24, 15 December 2016.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion.