17. Jahrgang | Nummer 12 | 9. Juni 2014

Schwein gehabt – Profit gemacht (II)

von Peter Clausing

Der US-amerikanische Fleischkonzern Smithfield etablierte sich auch in Rumänien und gründete dort im Jahr 2004 eine Niederlassung, verbunden mit Plänen, im Laufe der Zeit eine jährliche Produktionskapazität von vier Millionen Schweinen zu installieren. Die geplante Errichtung von Mastfabriken in der Nähe der rumänischen Stadt Timisoara stieß auf den organisierten Widerstand der betroffenen Gemeinden.
Litauen wurde 1998 „entdeckt“. Ein unter dem Namen Saerimner gegründetes dänisches Konsortium begann, die ehemaligen sowjetischen Mastfabriken aufzukaufen und wieder in Betrieb zu nehmen. Damit verbunden war das später nicht eingelöste Versprechen, die Anlagen umweltfreundlich zu gestalten. Die Dänen vertraten die Ansicht, dass es „ein Leichtes“ sein würde, in Litauen jährlich zehn Millionen Schweine zu mästen. Während die finanziell gebeutelten litauischen Lokalverwaltungen den geplanten Investitionen anfangs aufgeschlossen gegenüberstanden, wurden in der Bevölkerung Erinnerungen an die Gesundheits- und Umweltfolgen der Schweinemastindustrie zu sowjetischen Zeiten geweckt. Deshalb stand die Bevölkerung der betroffenen Dörfer den Projekten von Anbeginn ablehnend gegenüber. In einer wilden Mischung aus Ökoaktivismus und nationalistischen bis hin zu fremdenfeindlichen Ressentiments kam es über die Jahre zu einer breiten Mobilisierung, die durch mehrere Umweltskandale bei der Ausbringung der Schweinegülle zusätzlichen Schwung erhielt. Im Jahr 2008 wurden die dänischen Expansionspläne schließlich erheblich beschnitten. Der dänische „Schweinekönig“ Claus Baltersen, führende Figur im Saerimner-Konsortium, zeigte sich bitter enttäuscht und kündigte an, künftig in Lettland und der russischen Föderation zu investieren, wo es ein „geschäftsfreundlicheres“ Klima gäbe.
In Ostdeutschland sind vor allem holländische Investoren aktiv. Auch ihr Investitionsdrang wurde bislang nur teilweise befriedigt. Am bekanntesten dürfte der Agrarindustrielle Harrie van Gennip sein. Nach der im Jahr 1997 erfolgten Inbetriebnahme von Europas größter Mastfabrik (65.000 Stallplätze) in Sandbeiendorf im nördlichen Sachen-Anhalt, bemüht er sich seit 2004 um den Standort Haßleben im nordöstlichen Brandenburg. Hier befand sich bis zum Zusammenbruch der DDR eine so genannte „Hunderttausender“ Schweinemastanlage. Für Haßleben beantragte der holländische Investor ursprünglich eine Anlage mit 85.000 Stallplätzen. Dies scheiterte an den Einsprüchen einer Bürgerinitiative, die, ähnlich wie in Litauen, von Umweltorganisationen unterstützt wurde. Das Geschehen in Haßleben, bestehend aus zivilgesellschaftlichem Widerstand, der Erteilung von Auflagen sowie der Rücknahme und Wiederbeantragung von Betriebsgenehmigungen ist bis heute nicht abgeschlossen. Im dritten Anlauf genehmigte das Landesumweltamt Brandenburg im Juni 2013 trotz fortbestehender Einwände eine Anlage mit 37.000 Stallplätzen. Ein kurz danach durch van Gennip gestellter Eilantrag auf sofortige Wirksamkeit der Genehmigung kam jedoch nicht durch. Anfang Dezember 2013 zog der Holländer den Eilantrag zurück. Ob damit das Ende des Investitionsvorhabens besiegelt ist, bleibt abzuwarten. An weiteren ostdeutschen Standorten sind die Versuche, Mastfabriken zu errichten, ebenfalls ins Stocken geraten oder ganz gescheitert. Im Jahr 2003 träumte van Gennip davon, in Mahlwinkel, sieben Kilometer von Sandbeiendorf entfernt, eine Schweinemastanlage mit circa 80.000 Tierplätzen zu errichten. Auch hier kam es zu Protesten und Einwänden durch eine Bürgerinitiative. Im vorigen Jahr wurde eine abgespeckte Variante beantragt, bei der es nunmehr um einen Zuchtbetrieb für 11.000 Ferkel und 20.000 Mastschweine geht. Aufgrund einer im April 2013 verabschiedeten Änderung des Paragraphen 35 des Baugesetzbuches sind die Gegner des Vorhabens jedoch optimistisch, dass das Vorhaben auch in seiner reduzierten Form zum Scheitern verurteilt ist. In Absatz 1, Nummer 4 dieses Paragraphen wird der Bau von Tierhaltungsanlagen außerhalb von Dörfern dahingehend privilegiert, dass dafür kein Bebauungsplan erforderlich ist. Mit dem seit 20. September 2013 geltenden Gesetz wird die Privilegierung im Fall von Schweinemastbetrieben jedoch auf Ställe mit maximal 3.000 Plätzen beschränkt.
Die Gebrüder Adrianus und Jacobus Nooren, holländische Investoren, versuchten 2005, in Allstedt bei Querfurt (Sachsen-Anhalt) das Gelände eines ehemaligen Militärflughafens zu kaufen, um dort eine Mastanlage zu errichten. Nach Protesten und einer Ablehnung im Zuge der Raumordnungsprüfung, zogen sie ihren Antrag zurück und kauften stattdessen existierende Stallgebäude an anderen ostdeutschen Standorten.
Ein weiterer Holländer, der skandalumwitterte Adrian Straathof, sollte nicht unerwähnt bleiben. Nach Angaben der Website www.pigbusiness.nl betreibt er 23 Anlagen mit insgesamt 65.000 Schweinen in den Niederlanden, Deutschland und Ungarn. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) forderte Ende vorigen Jahres von den zuständigen Behörden, Straathof die Gewerbegenehmigung zu entziehen. An allen Standorten der Straathofschen Tierfabriken gäbe es massive Proteste wegen der permanenten Missachtung von bau-, umwelt- und tierschutzrelevanten Vorschriften. Am bekanntesten davon ist wohl der Betrieb in Alt-Tellin (Vorpommern) mit insgesamt 10.500 Sauen-Plätzen, der im Juli 2012 in Betrieb ging. Dieser Komplex wird allerdings von der 30.000er Sauen-Anlage in Binde bei Salzwedel (nördliches Sachsen-Anhalt), die ebenfalls zur Straathof Holding gehört, noch deutlich übertroffen.
Eingangs war davon die Rede, dass der Konzentrationsprozess im Bereich der Schweinemast mit Hilfe von Niedrigpreisen vorangetrieben wird. In der Studie „System billiges Schweinefleisch“, die im vorigen Jahr vom Aktionsbündnis bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. heraus gegeben wurde, ist der preisgetriebene Konzentrationsprozesses dieser vertikal integrierten Branche detailliert beschrieben. Der Preisdruck wird mit unterschiedlichen Mitteln aufgefangen. Bereits verwiesen wurde hier auf Billiglöhne und die Externalisierung der mit den Mastfabriken verbundenen Umweltkosten im Zusammenhang mit der Wiederbesiedlung von Regionen, die zuvor auf die eine oder andere Weise ökonomisch zerstört wurden. Andere Faktoren, auf die hier nicht eingegangen werden konnte, sind der Import billiger Futtermittel.
Konzentrationsprozesse haben natürlich vor allem Wachstum und immer größere Marktanteile als ultimative Ziele. Hier gibt es im Sektor Schweinefleisch ein Problem: Der europäische Markt ist im Großen und Ganzen gesättigt. Da bietet sich als Ausweg und Umweg an, diesen Konzentrationsprozess verstärkt durch Exporte in Schwellen- und Entwicklungsländer zu forcieren. So waren im Jahr 2000 Schweinefleischexporte aus Deutschland ins subsaharische Afrika mit 450 Tonnen faktisch inexistent. Im Jahr 2011 hingegen betrugen sie über 38.000 Tonnen. Diese Form der – von der EU geförderten – Fleischexporte ist immer verbunden mit der Zerstörung landwirtschaftlicher und industrieller Strukturen in den betroffenen Regionen.
Inzwischen ist die Stunde der ganz Großen gekommen. Die wahren Riesen, Tönnies und KTG Agrar, schicken sich derzeit an, Produktionsstätten für eine Million Mastschweine in Russland zu errichten. Nach Einschätzung der AbL wurden diese Investitionen auch durch die EU-Flächensubventionen vorfinanziert. Tönnies besetzt mit rund 25 Prozent Marktanteil den ersten Platz in der deutschen Schlachtindustrie. Die KTG Gruppe ist nach eigener Darstellung mit 40.000 Hektar Ackerland in Deutschland und Litauen „einer der führenden Agrarbetriebe in Europa“ und „deckt viele Stufen der Nahrungswertschöpfungskette ab“.
Im globalen Wettbewerb sind ruinöser Preiskampf und schweinische Konkurrenz noch nicht zu Ende. Im Jahr 2010 lagen die Erzeugerpreise für Schweinefleisch bei den 27 EU-Staaten noch immer 38 Prozent über den kanadischen und 14 Prozent über denen der USA. Die osteuropäischen „Standortvorteile“ dürften bei den künftigen Konkurrenzkämpfen eine wichtige Rolle spielen.

Teil I dieses Beitrags erschien im Blättchen Nr.11. Leicht gekürzter Nachdruck aus  Lunapark21 Heft 25 (März 2014) mit freundlicher Genehmigung des Verlages.