13. Jahrgang | Nummer 2 | 1. Februar 2010

Angeschossen. Slam & Poesie.

von Wolfgang Leist

„Von Peh“ – dahinter verbirgt sich eine Berlins regierende Supernova des Poetry Slam: Paula Gelbke. Das soeben im Innsbrucker Kyrene-Verlag erschienene schmale Bändchen mit seinem pink und zartgrün kontrastierenden Einband-Layout, das auch visuell dem lakonischen Stil der Autorin entspricht, bietet auf 72 Seiten mit den dort abgedruckten poetischen Texten eine hinreißende Darstellung dieser aktuellen Gattung von Lyrik made in Berlin. Der Titel ist einem der Gedichte entnommen: „Angeschossen … da hast Du mich getroffen, viel zu früh für einen Sonntagmorgen, ich war ja nicht mal richtig wach …“. Aber Vorsicht, wer Slam-Poetry liest, muß wissen, daß es spoken words sind, ursprünglich nicht für Buchseiten gemacht, sondern gesprochen, am Abend life erlebt auf möglichen Bühnen oder zur Nachtzeit in unmöglichen Lokalen. Deshalb ist dieses Buch  nicht nur Dokumentation einer bisher so noch nicht dagewesenen unabhängigen Lyrik, sondern wenigstens teilweise auch Textbuch für Pehs zwar nicht im Handel, aber doch bei ihren Auftritten erhältliche erste CD mit dem Titel „Kennst Du das?“.

Aber es ist auch Drehbuch für den eigenen imaginären Film, der beim Leser zu laufen beginnt: „In hängenden Gärten saßen wir. Ein Sturm, der ging! Ein Turm, der fiel! Die Mauern hoch, die Gänge weit. Wohin? Es flieht ein stummer Schrei: Wir könnten, könnten Zukunft sein … Die Nacht zu lang, zu schnell vorbei.“  Wer über Google auf peh-land klickt findet vielleicht einen Clip der Autorin, wie sie den Wandfries der Prozessionsstraße zum Ischtar-Tor im Pergamon-Museum entlang schreitet und mit diesen Versen die Antike in die Gegenwart holt. Oder wie sie auf dem Flachdach eines Hauses in Berlins Frankfurter Allee rezitiert: „Im Auto, im Club, an der Bar, auf der Toilette; in der Küche auf dem Boden, auf der Couch, auf der Treppe; am Fenster, im Hotel, im fremden Bett … Sex. Mehr nicht. Ich hab’s kapiert.“

Fünfundzwanzig Gedichte, mal von balladenhafter Länge, mal von haikuähnlicher Kürze. Liest man diese Texte in dem hier besprochenen Bändchen, so erschließen sie sich bereits beim ersten Mal scheinbar ganz, beim zweiten und beim dritten Lesen aber immer wieder anders und neu: erotisch, melancholisch, philosophisch; Gedichte von großer Schönheit.

Slam Poetry ist echter Underground, raumgreifend und grenzüberschreitend. Kommerziell bislang nicht entdeckt, oder noch in der Schweigespirale steckend. Irgendwie fast anonym und konspirativ. Die Autorin ist viel unterwegs, zu nächtlichen Slams in ganz Deutschland, in der Schweiz, in Österreich. Und auch schon mal in Japan. Gewinnerin unter anderem des Augsburger Brecht Poetry Cups 2008 in allen Kategorien, und im selben Jahr Berliner Vize-Stadtmeisterin. Ein tollkühner Verlag wie der kleine österreichische Kyrene-Verlag ist hier gleichermaßen Tabu-Brecher wie Pionier. Dieses schlanke, schmucke Buch ist ein Geheimtipp für Lyrik-Fans und für Bibliophile.

Peh, Angeschossen – Slam & Poesie, Kyrene Verlag Innsbruck 2009, ISBN 978-3-900009-58-8, 12,50 Euro