Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 24. Mai 2004, Heft 11

Prolog

von Helmut Baierl

Jüngst ging ich spazieren zum Potsdamer Platz.
Da wuchsen Skelette zu Riesen.
Wo einstens Gewimmel war, fröhliche Hatz,
Die Dichter haben’s gepriesen.

Da ging ich, still sinnend, so vor mich hin:
Was würde aus alledem werden?
Der Glanz und der Glimmer hob mir das Kinn.
Ich hatte leicht Rückenbeschwerden.

Ich dachte zurück, an die Zeiten davor,
An Brachenlandschaft im Sande.
Hört Kutschenrasseln am Leipziger Tor,
Und Maurerlärm hört ich am Rande.

Ich sah die Soldaten der Kriege am Platz
Und hatt’ die Normaluhr im Blicke
Mit Tänzern, Dirnen und Hosenmatz.
Ich lehnte mich lässig zurücke.
Dann sah ich den Platz ruinenbesät
Und starrte auf Grenzbarrieren.
Kaninchen waren hier Realität.
Ich dacht, das würd‘ ewig so währen.

Ich ging spazieren am Potsdamer Platz
Mit lustigen Leuten zur Seiten.
Nun wird er gehoben, ein kostbarer Schatz,
In Höhen hinauf wie in Weiten.

Da meint ich, er könnt schöne Wirklichkeit sein
Trotz Großstadtgewirr und Gebrause.
Das Neonlicht kreiste die Augen mir ein,
Ich schlenderte sinnend nach Hause.

(Aus: Berlin-Potsdamer Platz, 1999)