16. Jahrgang | Nummer 12 | 10. Juni 2013

Medien-Mosaik

von bebe

Der bisher als Drehbuchautor witziger TV-Krimis hervorgetreten Stephan Lacant konnte auf dem Schweriner Filmkunstfest im vergangenen Monat den Regiepreis entgegennehmen. In seinem Debüt „Freier Fall“ erzählt er von einem deutschen Polizisten von Mitte 30, werdender Vater, der plötzlich den flüchtigen Kuss eines Kollegen genießen kann. Es ist ein langer und schmerzhafter Prozess, in dem sich dieser Marc (Hanno Koffler) eingesteht, dass er bisexuell ist. Wie kann er mit der Mutter seines Sohnes weiter zusammenleben? Können die beiden liebenden Polizisten ihr Verhältnis vor den Kollegen geheim halten?
Der Film zeigt die Verwirrung, die Nöte, in die jemand gerät, der seine sexuelle Identität radikal in Frage stellen muss. Doch Lacant gibt seinem Film ein bleischweres Gewicht. Homosexuell sein bedeutet vor allem, mit sich nicht klar kommen, sich vor der Familie zu verstecken und sie gegebenenfalls zu verlieren, Leid über die Angehörigen zu bringen, Drangsalierungen von Kollegen über sich ergehen zu lassen. Dass es befreiend sein kann, neue Lebenslust bieten kann, wenn man erfährt, in der Liebe eines Menschen des gleichen Geschlechts aufgehoben zu sein, erzählt der Film nicht. Unheilschwangere Musik verstärkt diesen Eindruck noch. Nur, wenn die beiden Liebenden (Max Riemelt in Ausdruckskraft Hanno Koffler ebenbürtig) ihren Trieben nachkommen und übereinander herfallen, ahnt man, dass da mehr sein kann, auch wenn diese Szenen von Monika Schindler äußerst dezent geschnitten sind. Doch die Kraft, die eine große Liebe auch verleihen kann, wird nicht deutlich.

Freier Fall, Edition Salzgeber, seit 25. Mai in zahlreichen Kinos.

*

Noch immer sieht Manolis Glezos aus wie der verwegene junge Kerl, der 1941 zum Helden der Akropolis wurde, als er die Nazi-Fahne dort herunterholte, nur die schwarzen Haare sind schneeweiß geworden. Das unterstellt zumindest das wenige Jahre alte Foto, das man in einer Ausstellung in der junge-Welt-Galerie sehen kann. Die Fotografin Gabriele Senft zeigte sich bei der Eröffnung bewegt darüber, dass nach vielen thematischen Ausstellungen, beispielsweise zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien, über die Menschen im Irak oder in Afghanistan, erstmals ihre Porträts so kompakt vorgestellt werden. Sie bringt uns einfache Menschen und prominente nahe, wobei sie bei allen immer das Besondere der Person erahnen lässt: Ein NVA-Soldat nimmt seine Liebste in den Arm (1971); ein junger Pionier in Kuba schwankt zwischen Stolz gegenüber der Fotografin und der Peinlichkeit, dass seine Mutter ihn küsst (2008); Ruth Werner mit einer Rose und verhaltenem Lächeln (1997); Heidrun Hegewald streicht Willi Sitte liebevoll über den Kopf (2009). In der Ausstellung hängt Victor Grossman neben Stefan Heym, nicht weit davon das jüngste Foto der Ausstellung mit der ältesten Prominenten: Am 10. Mai 2013 Mai trat Elfriede Brüning zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung auf, die das 22jährige Mitglied des Bundes proletarischer Schriftsteller mit Entsetzen miterlebte. Im Verlag Wiljo Heinen ist der empfehlenswerte Katalog zur Ausstellung erschienen.

Gesicht zeigen – Gabriele Senft, Ausstellung in der jW-Ladengalerie, Torstraße 6, 10119 Berlin, bis 15. August wochentags 10.00 -18.00 Uhr, Katalog 12,00 Euro.

*

„Ein Ritter ist ein kleines Licht, wenn er nicht dauernd haut und sticht.“ Kenner wissen sofort, dass es sich hier nur um eine der ehernen Ritterregeln des legendären Runkel von Rübenstein handeln kann. Lothar Dräger hat den blauäugigen Ritter gemeinsam mit Hannes Hegen als Gefährten für die Digedags im Mosaik erdacht. Die Comic-Serie der sechziger Jahre lebt heute nur in Nachdrucken weiter, aber Dräger hat Runkel seit 2002 zum Helden ebenso heiterer wie historisch glaubwürdiger Romane gemacht, die nicht nur die Phantasie Jugendlicher anregen. In seinem jüngsten Werk geht er nun auf das Leben von Runkels Bruder Bodo von Rübenstein ein. „Im Namen der Rübe“ ist zwar keine Parodie auf Umberto Eco, aber augenzwinkernd geschilderte Parallelen gibt es in dem im frühen 14. Jahrhundert angesiedelten Schmöker schon. Bodo war Geheimschreiber mehrerer Päpste und kommt durch sein Wissen in arge Gefahren. Dass Dräger den Bodo als Gleichgesinnten des heiligen Franz von Assisi anlegt, gibt dem Buch nach der Thronbesteigung von Papst Franziskus eine Aktualität, die er nicht ahnen konnte, als er den Roman 2011 schrieb. Der bewährte Mosaik-Zeichner Ulf S. Graupner hat das Buch nicht nur stilgerecht illustriert, sondern steuert im Anhang auch acht Comics mit dem gealterten Runkel bei, die bislang nur in der kürzlich eingegangenen Zeitschrift Comixene abgedruckt wurden.

Lothar Dräger: Im Namen der Rübe, Mosaik StfSt Verlag, Berlin 2012, 96 Seiten, 14,95 Euro.