14. Jahrgang | Nummer 7 | 4. April 2011

Wo bleibt das Soziale?

von Jürgen Fenn

Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg ist es zu erheblichen Gewinnen der Grünen gekommen, es wird wahrscheinlich eine grün-rote Koalition geben, die SPD hat das schlechteste Ergebnis aller Zeiten dort erzielt. CDU/FDP wurden abgewählt. Bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz hat die SPD zehn Prozent verloren, dort wird es eine rot-grüne Koalition geben. Die Linkspartei ist in beiden Ländern nicht in den Landtag gekommen, sie liegt bei etwa 3 Prozent.
Das Umweltthema „Atomenergie“ hat alles überlagert. Das Soziale wird davon überdeckt, verschwinden kann es nicht, aber es ist aus dem Blick geraten. Die SPD hat bei den Hartz-IV-Verhandlungen mit CDU/FDP vor allem die Interessen der haves vertreten, für die have nots wird es keine Verbesserungen geben. Im Gegenteil, es wird ab April 2011 zu weiteren erheblichen Verschärfungen im Sozialverwaltungsrecht und zu erheblichen Verschlechterungen und zu neuen Unwägbarkeiten insbesondere bei den Wohnungskosten kommen. Irgendwelche Mindestlöhne betreffen nur diejenigen, die schon „drin“ sind, die – in der Regel dauerhaft – Exkludierten wurden erneut schlechter gestellt als zuvor schon. Der DGB hat in einem internen Papier festgestellt, dass die SPD keine ihrer anfangs erhobenen Forderungen auch nur ansatzweise durchgesetzt hatte. Heute sieht man vor allem, dass man in Deutschland Wahlen gewinnen kann, ohne von sozialen Aspekten auch nur im Entferntesten zu handeln. Der Hartz-IV-Malus, dessen sich die SPD nach den letzten Bundestagswahlen vor allem personell nicht entledigt hatte, klebt an ihr, nicht an den Grünen, obwohl Hartz-IV ein rot-grünes Verarmungsprojekt war – und augenscheinlich auch weiterhin ist, denn etwas anderes hat man von diesen Parteien seitdem nicht gehört. Und wie im Bund und im Land so übrigens in der Kommune: Das Wort „sozial“ suchte man auch im Wahlprogramm der Neu-Isenburger Grünen zu den hessischen Kommunalwahlen vergeblich. Sie liegen damit bei 25 Prozent knapp vor der SPD. Die Linke zwischen 3 und 4 Prozent.
Aber letztlich wird es damit ähnlich verlaufen wie mit dem Thema Umwelt: Die Gesellschaft wird einen neuen sozialen Konsens finden müssen. Die Armut wird verfestigt. Das Workfare- und Erziehungs-Programm Hartz-IV wird immer ungerechter und absurder. Aber das kann nicht auf Zeit und Ewigkeit so fortgeführt werden. Die Umverteilung von unten nach oben erfasst zunehmend auch die Mitte. Und auch der Ausstieg aus der Atomkraft muss sozial gestaltet werden. Denn: „Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont.“ (Ingeborg Bachmann)